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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Du kannst dir nicht vorstellen, wie schrecklich er aussieht. Und dabei liegt immer noch dieses hämische Grinsen in seinem Gesicht.«
    »Er kann nicht einmal die Arme bewegen?«
    »Nein. Er muß seinen elektrischen Rollstuhl mit dem Mund steuern, mit einer Art Löffel. Es ist entsetzlich. Er müßte eigentlich in eine Spezialklinik, in der man für solche Fälle eingerichtet ist; aber er weigert sich. Er wird sich und seine Klinik zugrunde richten.«
    Brodka strich Juliette über das Haar. Er bemerkte, daß sie zurückwich, schrieb dies aber ihrer inneren Anspannung zu.
    »Und wie denkst du jetzt über ihn?« erkundigte er sich vorsichtig. »Ich könnte mir vorstellen, daß deine Gefühle für Collin sich geändert haben …«
    »Weil er jetzt gelähmt und auf Hilfe angewiesen ist?« Juliette schüttelte den Kopf. »Vielleicht wäre es so gewesen, hätte Hinrich sich geändert. Aber das ist nicht der Fall. Du hättest sein teuflisches Gesicht sehen sollen. Es kam mir beinahe so vor, als wollte er sagen: Jetzt habe ich dich endgültig an mich gebunden.«
    Brodka vertiefte das Thema nicht weiter. Er zog Juliette ins Bett, und sie fiel in einen unruhigen Schlaf.
    Für zehn Uhr hatte Brodka ein Treffen mit Baldassare Cornaro vereinbart, dem Neffen Arnolfos. Er ließ Juliette in der Pension zurück. Nachdem sie die halbe Nacht wach gelegen hatte, hatte sie eine Schlaftablette genommen. Bis Mittag, flüsterte Brodka ihr ins Ohr, wolle er zurück sein. Juliette reagierte nur mit einem matten »mhm« darauf.
    Vor dem Haus in der Via Sale parkte Baldassares kleiner Lieferwagen. Das Geschäft war noch ruhig um diese Zeit. Um so aufgeregter schien Baldassare. Als er Brodka erblickte, trat er auf ihn zu und zog ihn über eine enge, steile Treppe in den ersten Stock.
    »Kommen Sie, Signore, sehen Sie sich das an!« sagte er atemlos. Dabei machte er eine ausladende Handbewegung.
    Das erste Stockwerk des schmalbrüstigen Hauses bestand nur aus einem einzigen Zimmer mit zwei Fenstern zur Straße, und die Decke war so niedrig, daß man sie mit ausgestreckten Armen berühren konnte.
    Es herrschte heilloses Durcheinander. Schranktüren standen offen, Schubladen waren herausgerissen. Der Inhalt lag auf dem Boden verstreut. Baldassares Frau Adriana kam hinzu. Sie weinte und wischte sich Tränen aus dem Gesicht.
    »Es muß heute nacht passiert sein«, meinte Baldassare kopfschüttelnd.
    Brodka blickte den jungen Mann fragend an. »Einbrecher?«
    Baldassare hob beide Arme und rief mit theatralischer Stimme: »Was sollten Einbrecher bei Baldassare Cornaro schon stehlen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Nein, bei Baldassare Cornaro gibt es nichts zu holen. Und meine Tageseinnahmen bringe ich jeden Abend zum Nachttresor der Bank.«
    »Und Sie haben nichts gehört?«
    »Wir schlafen oben im zweiten Stock. Unser Tag endet selten vor zwei Uhr morgens. Dann fallen wir hundemüde ins Bett. Nein, wir haben beide nichts gehört.«
    »Sieht so aus, als hätte jemand etwas ganz Bestimmtes gesucht«, meinte Brodka, während er sich im Zimmer umsah. »Haben Sie eine Ahnung, was das sein könnte?«
    Plötzlich erhellte sich das traurige Gesicht Baldassares, und ein listiges Schmunzeln huschte über seine Lippen. »Ja«, antwortete er knapp, kramte einen Tresorschlüssel aus der Hosentasche und reichte ihn Brodka.
    Der betrachtete ihn eingehend. Es war ein kleiner, doppelbärtiger Schlüssel mit einer eingravierten Buchstabenkombination und einer Zahl darunter. »Was ist das für ein Schlüssel?« fragte er.
    »Den hatte Onkel Arnolfo dabei, als er sich mit Ihnen auf dem Campo Santo traf. Ich fand ihn in seiner Manteltasche. Dieser Schlüssel und 45.000 Lire waren das einzige, das Onkel Arnolfo bei sich trug.«
    »Und was schließen Sie daraus, Baldassare?«
    »Onkel Arnolfo wollte Ihnen diesen Schlüssel verkaufen.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Baldassare zögerte; dann hob er beide Hände und sagte: »Signore, Sie können offen mit mir reden. Ich weiß, worum es geht, und ich kenne die Forderungen, die Onkel Arnolfo an Sie gestellt hat. Er wollte zwanzig Millionen Lire von Ihnen. Nun möchte ich die gleiche Summe.«
    »Und was bekomme ich dafür?« fragte Brodka. »Die Informationen, die Ihr Onkel mir geben wollte? Oder nur diesen Schlüssel? Da würde ich ja die Katze im Sack kaufen.«
    Baldassare hob die Schultern. »Ihr Risiko.«
    »Ihr Onkel hat sich nie geäußert, über welche Informationen er verfügte.«
    »Dann will ich es Ihnen sagen, Signore. Onkel

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