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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Arnolfo hatte geschworen, sich an Fasolino und seiner Frau Anastasia zu rächen, und er hatte eine Möglichkeit gefunden. Er suchte nur jemanden, der ihm dabei behilflich war. Da kamen Sie und Signora Collin ihm gerade recht. Sie hatten ebenso wie er eine Rechnung mit Fasolino zu begleichen.«
    »Aber was hatte Ihr Onkel in der Hand?«
    »Onkel Arnolfo pflegte zu sagen: ›Selbst die raffiniertesten Gauner haben einen Schwachpunkt, man muß ihn nur finden.‹ Bei Fasolino mußte er nicht lange suchen. Der hatte die Angewohnheit, bei allen Telefonaten ein Tonband mitlaufen zu lassen, bei belanglosen ebenso wie bei wichtigen Gesprächen, wenn es ums Geschäft ging. Er hat sie auf Mikrokassetten aufgezeichnet und in einem Aktenkoffer archiviert – mehr als hundert Stück. Vermutlich wollte er sich aus irgendwelchen Gründen absichern. Anfangs war Onkel Arnolfo noch mit der Aufgabe betraut, die Kassetten unterzubringen. Zuletzt durfte er auch dieser Arbeit nicht mehr nachkommen. Aber im Lauf der Zeit konnte er immer mehr Kassetten an sich bringen. Es sollen etwa zwanzig Stück gewesen sein. Ich bin sicher, diese Bandaufnahmen haben die Einbrecher bei mir gesucht.«
    »Und wo befinden sich die Kassetten jetzt?«
    Baldassare verzog das Gesicht. »Das hat Onkel Arnolfo nicht einmal mir gesagt, obwohl ich sonst alles von ihm wußte. Er machte nur eine Andeutung, daß die Kassetten an sicherem Ort sind, hinter Schloß und Riegel – so hat er sich ausgedrückt. Und er sagte, daß sie genug Zündstoff enthielten, um Fasolino und seinen Kumpanen das Handwerk zu legen.«
    Brodka dachte nach. Die Erklärung des Neffen schien einleuchtend. »Alles schön und gut«, meinte er, »aber was soll ich mit dem Schlüssel, wenn ich nicht weiß, wohin er gehört?«
    Baldassare zeigte auf den runden Griff des Schlüssels. Brodka sah einen Buchstabencode – GHE –, darunter die Zahl 101.
    »Onkel Arnolfo hätte Ihnen bestimmt sagen können, was das bedeutet«, meinte Baldassare.
    »Vermutlich.« Brodka nickte, während er noch immer den Schlüssel betrachtete. »Aber Sie wollen mir den Schlüssel für dieselbe Summe wie Ihr Onkel verkaufen, ohne den Standort des dazugehörigen Tresors oder Schließfachs zu kennen. Denn wenn Sie wüßten, wo es sich befindet, hätten Sie sich die Kassetten längst beschafft.«
    »Stimmt«, erwiderte Baldassare. »Aber es kann nicht so schwer sein, das herauszufinden. Es ist bestimmt ein Schließfach am Bahnhof oder bei einer Bank.«
    »Und wenn dieses Schließfach jemand anderem gehört? Einem Freund oder Bekannten?«
    »Onkel Arnolfo hatte keine Freunde mehr. Sie sind alle tot. Er lebte sehr zurückgezogen, müssen Sie wissen.« Nach einem Moment des Nachdenkens meinte er: »Also gut, Signore Brodka. Sagen wir, zehn Millionen Lire. Außerdem biete ich Ihnen meine Hilfe an, soweit sie Onkel Arnolfos Umfeld betrifft. Aber erwarten Sie nicht zuviel.«
    »Einverstanden.« Brodka warf den Schlüssel in die Luft und fing ihn mit einer geschickten Handbewegung wieder auf. Dann stellte er einen Scheck aus und reichte ihn Baldassare. »Wenn Ihnen sonst noch etwas einfällt, was uns weiterhelfen könnte, Sie finden uns im Albergo Waterloo.«

K APITEL 9
    Nach fünfzehn Jahren öffneten sich für Giuseppe Palmezzano die Tore des römischen Gefängnisses ›Regina Coeli‹. Palmezzano, genannt ›Assassino‹, seit er einen Galeristen mit dessen Brieföffner erstochen hatte, war nur eins fünfundsechzig groß, wog aber achtzig Kilo, und nicht einmal die frugale Gefängniskost hatte an seiner Figur etwas geändert.
    Fünfzehn Jahre Gefängnis konnten auch seinem Charakter nichts anhaben, und seine äußere Erscheinung, die eher einem Banker von der Via del Corso glich als einem Killer, hatte während dieser Zeit kaum Schaden genommen, wenn man davon absah, daß der Haarkranz um seine Glatze, der einst dunkel gewesen war, nun in lichtem Grau erstrahlte. Wie früher benutzte er aus anatomischen Gründen Hosenträger, und auch die Gewohnheit, zu jedwedem Aufzug weiße Socken zu tragen, hatte er beibehalten.
    Ansonsten konnte seine Kleidung noch so schäbig sein – Palmezzano verstand es, auch diese mit einer gewissen Grandezza zu tragen, wozu seine aufrechte Haltung und der leicht in den Nacken geworfene Kopf beitrugen. Die Ursache für diese Körperhaltung war zweifellos sein Stolz, der ihn erhobenen Hauptes einherschreiten ließ; andererseits ist diese Haltung bei kleinwüchsigen Männern keine Seltenheit.
    Wer

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