Purpurschatten
wenig gefangen hatte, fragte er, noch immer vor dem Bild kniend: »Und das hast du im Gefängnis gemalt?«
Giuseppe nickte. »Nach einem Bildband aus der Knastbücherei.«
»Und warum gerade dieses Gemälde?«
»Ein Auftrag von so einem verrückten Amerikaner.«
»Und wie bist du an diesen Mann herangekommen? Oder besser, wie kam er an dich heran?«
»Ich sagte doch: Wer glaubt, daß man im Gefängnis von der Außenwelt abgeschnitten ist, der irrt sich gewaltig. Im Knast weißt du alles, was draußen vor sich geht. Du kannst alles haben, was du willst. Du brauchst nur eines: Geld. Wärter sind nämlich schlecht bezahlt, ziemlich schlecht.«
»Verstehe ich dich recht«, holte Smolenski aus, »daß du dein Bild nun gegen das Original austauschen und das Original dem Amerikaner verkaufen willst?«
»Gut mitgedacht!« Palmezzano klatschte in die Hände. »Kein Mensch wird den Coup bemerken. Du sagst doch selbst, daß die Kopie perfekt ist.«
»Und was hat man dir für das Original geboten, Giuseppe?«
Palmezzano zierte sich. Dann sagte er leise: »Zwei Millionen Dollar.«
Smolenski zog die Augenbrauen hoch: »Das ist viel Geld. Aber für einen Leonardo natürlich nur ein Bruchteil dessen, was dieses Gemälde einbringen würde, stünde es auf dem Kunstmarkt zum Verkauf.«
»Das ist mir auch klar«, erwiderte Giuseppe, »aber dafür bekommt der verrückte Amerikaner ja auch kein Gemälde, von dem er behaupten kann, es wäre ein Original von Leonardo da Vinci, obwohl es eins ist. Selbst wenn er es behaupten würde – keiner würde ihm glauben. Er kann nur behaupten, er sei im Besitz einer Kopie von Leonardo, obwohl es ein Original ist. Aber davon wissen nur eine Handvoll Leute, und das mindert den Wert natürlich erheblich.«
Smolenski dachte nach. Schließlich meinte er: »Und wenn ich nein sage?«
»Was soll das heißen – wenn ich nein sage? Du meinst, du willst mir das Geschäft vermiesen? Das würde ich mir an deiner Stelle gründlich überlegen, Smolenski! Es gibt eine Menge Leute, die wären überrascht zu erfahren, was wirklich im Vatikan vor sich geht.«
»Und woher willst du das wissen, Giuseppe?«
»Ach Gott, man hat so seine Zuträger.«
Smolenski verschränkte die Hände im Rücken und sagte mit einem falschen Lächeln: »Trotzdem, ich sage nein.«
Das Grab im Campo Santo bereitete Brodka Qualen, als wäre er von einer heimtückischen Krankheit befallen. Es zog ihn beinahe magisch an. Kein Tag verging, an dem er nicht den Weg zum Vatikan nahm und bei allen möglichen Stellen vorsprach, um irgend etwas über das Grab in Erfahrung zu bringen.
Mit der Hartnäckigkeit eines erfahrenen Fotojournalisten und einem mit grünem Stempel versehenen Passierschein gelangte er sogar zum Palazzo del Governatorato, der Zivilverwaltung des Vatikans, die sich hinter St. Peter befindet, einem wuchtigen Gebäudekomplex mit endlosen Gängen und zahllosen Büros.
Aber auch hier begegnete Brodka jener bewußten Zurückhaltung und Reserviertheit, die man ihm schon an den anderen offiziellen Stellen entgegengebracht hatte. Er hatte sogar den Eindruck, daß die gespielte Ahnungslosigkeit um so deutlicher wurde, je höher der Rang der entsprechenden Dienststelle war.
Vom Governatorato wurde Brodka schließlich mit schriftlicher Empfehlung und der Bitte um Erledigung der Angelegenheit an den Büroleiter des Deutschen Kollegs verwiesen, jene Stelle, bei der Brodka drei Tage zuvor seine Nachforschungen aufgenommen hatte.
Trotzdem gab er nicht auf. In der Hoffnung, das Dokument des Governatorato könnte Wirkung zeigen, suchte Brodka erneut das Büro des Kollegs auf, wo er in dem weiß getünchten Raum wiederum auf den Kapuziner mit den unfallbedingten Ausfallerscheinungen traf.
War es das Empfehlungsschreiben des Governatorato, oder hatte der Mann schlichtweg einen guten Tag? Jedenfalls zeigte der Mönch sich diesmal sehr gesprächig und bereit, etwas für Brodka zu tun.
Brodka begann also noch einmal von vorn und trug sein Anliegen vor, die Bedeutung der Initialen › C.B. ‹ auf dem Grab auf dem Campo Santo zu erfahren.
Von einem solchen Grab, beteuerte der fromme Mann mit der Cäsarenfrisur, wisse er nichts; der Signore möge doch die Freundlichkeit haben, ihm die fragliche Ruhestätte des lieben Verblichenen zu zeigen.
Wieder war Brodka nahe daran, die Fassung zu verlieren; dann aber gab er sich einen Ruck und beschloß, den Kapuziner auf den Campo zu begleiten.
Vor der Grabstätte angelangt, erlebte Brodka
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