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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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durch den Raum, »heute
kein Treffen – Lukas 2,26 – verschoben morgen –
Belphegor.«
    Keyserling spulte das Band zurück und ließ es ein zweites Mal
ablaufen. Die Stimme klang kalt, beinahe künstlich und jagte jedem im
Raum Schauer über den Rücken.
    »Kennt jemand die Stimme? Oder Lukas 2,26?« fragte Keyserling,
während er die Kassette erneut zurückspulte und ein drittes Mal
abspielte.
    »Die Stimme habe ich nie gehört«, beteuerte Marco, der alte Portier,
dem das alles am meisten an die Nieren ging. »Und die Bibelstelle kenne
ich nicht. Einer von Ihnen vielleicht?«
    Brodka schüttelte den Kopf. Ebenso Juliette.
    Keyserling spielte noch weitere Anrufe auf der Kassette vor, die
nicht weniger verwirrend oder nichtssagend waren. Einmal meinte
Juliette Fasolinos Stimme zu erkennen; doch Keyserling war sicher, daß
sie sich täusche.
    »Sehen Sie«, meinte Keyserling an seine Gäste gewandt, »Sie können damit ebenso wenig anfangen wie ich.«
    »Und nun?« fragte Juliette ungeduldig.
    »Sie sagten«, wandte Brodka sich an Keyserling, »daß Sie uns die Kassetten überlassen.«
    »Ja. Nehmen Sie sie mit«, erwiderte der Gefragte mit einer
wegwerfenden Handbewegung. »Ich kann beim besten Willen nichts
Belastendes gegen Fasolino finden.«
    Brodka hatte soviel Großzügigkeit nicht erwartet, und Keyserling
entging das erstaunte Gesicht seines Besuchers nicht. »Schließlich
haben wir beide denselben Gegner«, meinte er, »und wenn das Material
Ihnen in irgendeiner Weise von Nutzen ist, Fasolino zu schaden, hat es
auch für mich seinen Zweck erfüllt.«
    Keyserling nahm die Kassette aus dem Anrufbeantworter, legte sie zu den übrigen zurück und reichte Brodka das Paket.
    »Wenn ich Ihnen noch einen Tip geben darf«, meinte er, als die
Besucher sich verabschiedeten, »Fasolino verfügt über gute Verbindungen
zur römischen Kurie. Er behauptet zwar, es seien alte Familienbande,
aber das halte ich für eine Lüge. Fasolino ist ein Hehler, und das
schon ein Leben lang.«
    Für die Rückfahrt nahm Marco die Straße über Terracina und weiter
auf der Via Appia nach Rom. Ihr Ziel war Baldassares Pizza-Service in
der Via Sale.
    Offensichtlich hatten Brodka und Juliette Baldassare unterschätzt.
Sie hatten ihn für einen rechtschaffenen Menschen gehalten, der sich
mehr schlecht als recht durchs Leben schlug und seine Chance sah,
einmal im Leben ein großes Geschäft zu machen. Aber daß er dieses
Geschäft mit frommem Blick gleich zweimal machte, war des Guten zuviel.
    Kurz vor Einsetzen des abendlichen Berufsverkehrs erreichten sie
Rom. Marco, der sich an dem Gespräch über den Neffen seines alten
Freundes beteiligt hatte, meinte: »Wissen Sie, in jedem Italiener
steckt ein Gauner, mal ein kleiner, mal ein großer. Man weiß nur nie,
an wen man gerät. Was erwarten Sie von einem Volk, von dem drei
Exministerpräsidenten vor Gericht stehen und über 30.000 Bürger eine
Rente beziehen, obwohl sie seit Jahren tot sind?«
    In Baldassares Pizza-Service herrschte Aufregung und
Geschirrgeklapper, obwohl der abendliche Ansturm noch nicht eingesetzt
hatte.
    »Wo ist Baldassare?« fragte Brodka, als er zusammen mit Juliette und Marco den kleinen Laden betrat.
    Ein Pizzabäcker in tadelloser weißer Kleidung lachte über das ganze Gesicht und erwiderte: »Kein Baldassare, jetzt Domenico!«
    »Was soll das heißen?«
    »Baldassare hat verkauft. Er ist ein reicher Mann, Signore. Ist nach
Catania verzogen. Ab heute heißt dieses Geschäft ›Domenicos
Pizza-Service‹. Sie verstehen?«
    Da gab es nicht viel zu verstehen. Brodka sah, daß sich der alte
Hotelportier ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Und hätte Brodka
nicht immer noch Wut im Bauch gehabt – er hätte mitgelacht.
    Mittwochmorgen gegen 6 Uhr 15 zerriß eine Bombe einen
dunkelblauen Volvo, der in der Via Certosa abgestellt war, in tausend
Stücke. Es können auch zweitausend oder mehr gewesen sein, wobei die
entsprechenden Teile der Autos, die in derselben Reihe geparkt waren,
jedoch in Abzug gebracht werden müssen.
    So jedenfalls protokollierte die römische Polizei den kriminellen
Anschlag, der – nach bester Mafia-Manier – offenbar niemanden
töten, aber als deutliche Warnung betrachtet werden sollte.
    Nun sind explodierende Autos in Italien zwar nicht an der
Tagesordnung, aber auch keine so große Seltenheit. Dieser Fall jedoch
hatte es in sich, und zwar in vielfacher Hinsicht. Da war zum einen der
Besitzer des Wagens. Es handelte sich dabei

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