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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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hundeelend.«
    Lobello führte den Kardinalstaatssekretär zu einem mit rotem Samt bezogenen Hocker und nahm eine Injektionsspritze aus seinem Notfallkoffer. Aus einer winzigen Ampulle zog er eine glasige Flüssigkeit auf. »Das wird Ihnen guttun, Eminenza«, sagte er, während er Smolenskis Arm freimachte.
    Ein Stich in die Armbeuge, und der Professore drückte den Inhalt der Spritze in die Vene des Kardinals.
    Der hing apathisch auf dem Hocker, den Blick auf den Boden gerichtet; nach einer Weile begann er in dieser Haltung zu sprechen: »Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, Professore , daß dieser Mordanschlag eigentlich mir galt.«
    Lobello beugte sich zu Smolenski hinunter. Er machte ein besorgtes Gesicht. »Wie soll ich das verstehen, Eminenza?«
    »Ganz einfach. Am Mittwoch liest stets der Kardinalstaatssekretär in der Sixtina die Frühmesse.«
    »Ich weiß. Jeder weiß es.«
    »Eben. Heute ist Mittwoch!«
    »Mein Gott, ja.«
    »Verstehen Sie jetzt, warum ich mich so elend fühle, Professore ?«
    Lobello preßte die Lippen zusammen und nickte stumm. »Haben Sie eine Ahnung, wer hinter dem Anschlag stecken könnte?« meinte er schließlich, während er mit einem großen weißen Taschentuch die randlosen Gläser seiner Brille reinigte, um seine nervösen Finger zu beschäftigen.
    Der Kardinalstaatssekretär lachte gekünstelt und sagte mit einem deutlichen Beiklang von Verbitterung: »Im Vatikan leben zweieinhalbtausend Menschen. Da kommt fast jeder in Frage, vom Hellebardier bis zum Scrittore , vom einfachen Funzionario bis zum Monsignore , vom Kardinal bis zum Papst.«
    »Eminenza!« rief Lobello entrüstet.
    Die Injektion zeigte Wirkung; denn Smolenski sprang auf, trat vor Lobello hin und sagte mit dem ihm eigenen hämischen Grinsen: » Professore , machen wir uns doch nichts vor. Der Vatikan ist eine Firma wie tausend andere. Ein Weltkonzern, wenn Sie so wollen. Und in jedem Konzern gibt es Mißgunst und Neid, Eitelkeit und Gewinnsucht. Warum sollte der Kirchenkonzern da eine Ausnahme machen?«
    Kaum hatte der Kardinalstaatssekretär den Satz beendet, wurde die Tür geöffnet, und zwei grau gekleidete Träger mit einem Zinksarg traten ein. Sie wuchteten die Leiche des stämmigen Großpönitentiars in den Sarg und verschwanden ohne ein erkennbares Zeichen von Anteilnahme.
    Wie ein Lauffeuer verbreitete sich das Gerücht vom Tod eines Kardinals während der Meßfeier. Wäre dieser im Bett gestorben, hätte das kaum jemanden interessiert, so aber trat Monsignore Pietro Cibo, Pressesprecher des Heiligen Stuhls, bereits fünf Stunden nach dem spektakulären Ableben Kardinal Shermans vor die Sala Stampa della Santa Sede und teilte den Journalisten offiziell mit, daß den Großpönitentiar bei der Heiligen Messe in der Sixtinischen Kapelle der Herztod ereilt habe.
    Wie bei Pressekonferenzen des Vatikans üblich, verteilte Cibo ein schriftliches Bollettino von Kardinalstaatssekretär Smolenski, in welchem dieser seine Bestürzung über das unerwartete Hinscheiden des amerikanischen Mitbruders und Bewunderung über das Lebenswerk eines Mannes ausdrückte, der als Pferdezüchter in Colorado begonnen habe und der nun nach göttlicher Fügung in Ausübung seines hochheiligen Amtes zur höheren Ehre abberufen worden sei. Im übrigen sei der Großpönitentiar, für den nur mit größter Anstrengung gleichwertiger Ersatz gefunden werden könne, seit längerer Zeit wegen Kreislaufproblemen bei Professore Lobello in Behandlung gewesen.
    Dies entsprach zwar nicht der Wahrheit, aber Pressekonferenzen der Kurie waren nicht dazu da, Wahrheiten zu verbreiten, sondern Verlautbarungen oder Dementis.
    Fragen der Journalisten nach den näheren Umständen des Todes in der Sixtinischen Kapelle, nach Augenzeugen und Verwandten, wich Monsignore Cibo aus und machte seinem Spitznamen › Monsignore Non-mi- risulta ‹, was soviel bedeutet wie › Monsignore Ist-mir-nicht-bekannt‹, alle Ehre.
    Kurz vor dem Ende der Pressekonferenz stellte Andreas von Sydow, Starreporter beim ›Messaggero‹ und wegen seiner investigativen Recherchen ebenso gefürchtet wie bewundert, Cibo die Frage, was es mit einem namenlosen Grab auf dem Campo Santo Teutonico für eine Bewandtnis habe.
    Unter den dreißig Journalisten, die den Pressesaal bevölkerten, herrschte plötzlich gespannte Aufmerksamkeit. Andreas von Sydow war kein Unbekannter unter seinen Reporterkollegen. Zwar trug er einen deutschen Namen, aber sein Italienisch war so perfekt, daß alle

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