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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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freilich verschwiegen.
    Im angrenzenden Sakristeiraum wurde Sherman von Padre Fernando Cordes erwartet, der kein Wort Englisch sprach, während dem Amerikaner Spanisch ebenso fremd war wie der Stierkampf in Cordes' Heimatland. Als Ministranten standen zwei Theologiestudenten von der Gregoriana , der päpstlichen Universität, bereit.
    Im Verlauf der Messe, die er in makellosem Latein las, sonnte sich der Großpönitentiar in seiner eigenen Andacht. Jedenfalls bis zu dem Augenblick, als er den Kelch in die Höhe hielt und die Ministranten ihre Handglöckchen schwangen. Denn als Sherman wenig später den Kelch an den Mund setzte und einen tiefen Schluck nahm, hielt er mit einem Mal inne. Für Sekunden schien es, als sei der Großpönitentiar von der göttlichen Erleuchtung durchdrungen, so starr und nachdenklich stand er vor dem Altar. Dann aber neigte der Kardinal sich langsam zur Seite wie ein angesägter Baum, und gleich einem Baumstamm krachte sein Körper in vollem Ornat auf die Stufen vor dem Altar.
    Shermans Mund stand offen, als würde er einen lautlosen Schrei formen. Seine Augen blickten starr auf die Altarwand mit Michelangelos Jüngstem Gericht. Die Finger beider Hände waren verkrampft, als wäre ihnen etwas Kostbares entglitten.
    Niemand von den Umstehenden, die der Messe beiwohnten, rührte sich vom Fleck. Es schien, als habe der wuchtige Arm des Weltenrichters aus Michelangelos leuchtendem Blau heraus den Großpönitentiar niedergestreckt. Die gerechte Strafe für eine ungerechtfertigte Tat.
    Erst ganz allmählich erhob sich ein Wispern, dann ein Murmeln und endlich der Ruf nach einem Dottore .
    Padre Fernando Cordes begriff zuerst, was geschehen war. Er trat zu Sherman, zog den leblosen Körper des Kardinals von den Stufen und legte ihn ausgestreckt auf den Marmorboden. Hastig zog er ihm das Meßgewand über den Kopf und drückte ein Ohr auf Shermans Brust. Dann legte Cordes beide Daumenballen übereinander und preßte sie in kurzen Abständen und mit großer Kraft auf das Brustbein des Kardinals.
    Die Besucher, darunter zwei italienische Nonnen, begriffen erst jetzt, was sich soeben vor ihren Augen zugetragen hatte. Während die eine Schwester schluchzend aus der Sixtina stürzte, fiel die andere vor dem leblosen Kardinal auf die Knie, schlug sich mit geballten Fausten an die Brust und rief mit gellender Stimme: » Dio mio , e morto !«
    Bis Professore Lobello mit seinem Notkoffer eintraf, vergingen mindestens zwanzig Minuten. Lobello war ein in Würde ergrauter Internist mit randloser Brille, der seinen Job als gesundheitlicher Direktor im Vatikanstaat der Tatsache verdankte, daß sein Großvater mit Pius XII. in enger Beziehung gestanden hatte. Aber selbst bei früherem Eintreffen hätte Lobello nur den Tod des Großpönitentiars feststellen können.
    Auf einen Wink des Arztes komplimentierte Padre Fernando, der Sakristant, alle Besucher der Messe aus der Sixtina. Nach Schließung sämtlicher Türen ließ sich der Professore jenen Meßkelch reichen, der Kardinal Sherman aus der Hand gefallen war und deutliche Beschädigungen aufwies.
    Der Professore schnupperte am Kelch und verzog das Gesicht, wobei er die Unterlippe nach außen stülpte. Dann wandte er sein Interesse den beiden gläsernen Karaffen mit Wasser und Wein zu, die unbeachtet auf einem kleinen Tischchen standen.
    »Wer hat den Wein in die Karaffe gefüllt?« fragte er, während er an dem Glas herumschnupperte wie ein Hund an einem Baumstamm.
    »Ich, Professore .«
    Lobello reichte dem Padre die Karaffe und bedeutete ihm, er solle ebenfalls daran riechen.
    Cordes folgte der Aufforderung. Nachdem er sich ein zweites Mal vergewissert hatte, daß seine Nase ihn nicht täuschte, reichte er die Karaffe zurück.
    »Riecht wie schlechter Wein«, sagte er und hob dabei die Schultern, als wollte er sagen: Keine Ahnung, wie das Zeug in die Glaskaraffe gekommen ist.
    Lobello stellte das Glasgefäß zur Seite; dann trat er ganz nahe an Padre Fernando heran und sagte, während er unsicher nach allen Seiten blickte, ob niemand ihr Gespräch belauschte: »Padre, wissen Sie, was sich in der Flasche befindet?«
    »Keine Ahnung, Professore .«
    Lobello machte ein ernstes Gesicht. »Blausäure. Es ist der typische stechende Geruch von Blausäure. Achtzig Milligramm genügen, um einen Menschen von durchschnittlichem Körpergewicht zu töten. Das Gift lähmt das Atemzentrum. Der Tod tritt innerhalb von Sekunden ein.«
    Padre Fernando stand wie versteinert, als

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