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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Kinn.
    »Das Gegenteil? Wie meinen Sie das?«
    »Nun ja, vielleicht durfte er keine Frau haben, weil er katholischer Geistlicher war.«
    Keller reichte Brodka das Foto zurück, und der betrachtete es zum wiederholten Male. Die Worte in dem Brief gingen ihm durch den Kopf: ›… eine Erinnerung an seinen Vater.‹ Das Bild hatte für ihn mit einem Male eine ganz neue Bedeutung. Bislang hatte er es nur vermutet, jetzt zweifelte er nicht mehr daran: Der Mann auf dem Foto war sein Vater. Und seinen Vater umgab ein Geheimnis.
    Ein katholischer Geistlicher? Brodka mußte unwillkürlich an Smolenski denken. Der ›Mann in Purpur‹ – war das sein Vater? Eine vage Erinnerung überkam ihn, an eine riesige dunkle Gestalt, in Purpur gekleidet, aber er verdrängte sie rasch. Allein der Gedanke ließ ihn schaudern.
    Als er das Bild umdrehte und auf die Rückseite schaute, fiel sein Blick auf einen runden, kaum fingernagelgroßen Stempel: Fotografo Gamber – Ruga degli Orefici  – Venezia.
    Brodka konnte sich nicht erinnern, ob die Fotografie im Bankschließfach seiner Mutter den gleichen Stempel getragen hatte. Vielleicht war es ihm aber auch nicht aufgefallen, weil das Bild so schlecht erhalten war. Und eine Suche nach dem Fotografen in Venedig war aussichtslos. Das Bild war mindestens vierzig Jahre alt; außerdem hatte der Fotografin seinem Leben gewiß Tausende Venedig-Touristen abgelichtet.
    »Tut mir leid, daß ich Sie nur wegen dieses Fotos hierher bemüht habe«, entschuldigte sich Keller. »Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mir natürlich Gedanken gemacht, was in dem Umschlag sein könnte. Ich hatte ein wichtiges Dokument oder ähnliches erwartet, das Ihre Mutter meiner Frau zur Verwahrung gegeben hat. An ein Foto hätte ich nie gedacht.«
    »Ehrlich gesagt, ich auch nicht. Aber Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Herr Keller. Vielleicht unterschätzen wir beide die Bedeutung dieses Fotos.«
    Brodka steckte das Bild ein und verabschiedete sich. Noch am gleichen Tag flog er von Zürich aus weiter nach Rom.
    Wie verabredet hatte Andreas von Sydow in der Zwischenzeit für Bruno Meinardi einen Topanwalt engagiert. Dottore Leoncino galt als der prominenteste Avocato Roms, ein Anwalt, der Schlagzeilen machte, was nicht zuletzt auf seine guten Kontakte zu Journalisten zurückzuführen war, zu denen auch von Sydow zählte.
    Bei spektakulären Fällen verzichtete Leoncino nicht selten auf Bezahlung, weil er wußte, daß die Publicity von weit höherem Wert war als das entgangene Honorar. Ein solcher Fall versprach auch die Verhandlung gegen Bruno Meinardi zu werden.
    Auf Anraten Leoncinos hatte Sydow noch am selben Tag vor der Polizei ausgesagt, er und sein deutscher Kollege Brodka hätten die Geldübergabe bei Nino beobachtet, und Brodka habe den Überbringer eindeutig identifiziert. Er nenne sich Titus und sei bei einem gewissen Alberto Fasolino gesehen worden, wohnhaft Via Banco di Santo Spirito.
    Gleichzeitig beantragte Dottore Leoncino nach einem Gespräch mit Bruno Meinardi einen Haftprüfungstermin für seinen Mandanten.
    Brodka und Sydow hatten sich für den Sonntag in Nemi verabredet, in Brodkas gemieteter Villa, um ihr weiteres gemeinsames Vorgehen zu besprechen. Sydow hatte sich inzwischen so in den Fall verbissen, daß er alle anderen Aufgaben liegenließ.
    Auf der Fahrt nach Nemi hörte Sydow in den Nachrichten von einem terroristischen Anschlag im Vatikan. In den frühen Morgenstunden des Sonntags waren auf Berninis Kolonnaden zwei Heilige, die Nummern 13 und 14, in die Luft gesprengt worden. Der Anschlag trage die Handschrift der Roten Brigaden; außerdem sei ein Papier mit dem Zeichen der Terrorgruppe, ein Maschinengewehr über einem fünfzackigen Stern, auf dem Petersplatz gefunden worden.
    Als Sydow Brodka von der Meldung erzählte, wurde dieser hellhörig.
    »Die Heiligen dreizehn und vierzehn, sagten Sie?«
    »Ja. Hat das eine Bedeutung für Sie?«
    Brodka kramte nervös in einem kleinen Koffer, den er aus dem Schrank hervorzog. »Hier, das sind die Abschriften der Kassetten, soweit ich deren Wortlaut verstehen konnte.« Er suchte nach einem bestimmten Blatt und reichte es Sydow.
    »Lesen Sie. Das ist doch kein Zufall!«
    Auf dem Zettel standen die Worte: ›Operation ‚Urbi et Orbi‘ – Sancti 13 und 14 – Bernini – Johannes 8,46 – Asmodeus.‹
    Sydow las, blickte Brodka fragend an und wandte sich wieder der Aufzeichnung zu. Halblaut las er, was auf dem Blatt geschrieben

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