Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
Vom Netzwerk:
stand.
    »Haben Sie irgendeine Erklärung dafür?«
    Brodka dachte lange nach. »Bisher nicht«, meinte er schließlich, »aber nach diesem Ereignis habe ich eine Ahnung.«
    »Was bedeutet ›Operation ‚Urbi et Orbi‘‹?«
    »Das weiß ich nicht.« Brodka zuckte die Schultern. »Auf jeden Fall ist es ein schlimmer Zynismus, den Begriff des Ostersegens zu benutzen.«
    »Das kann man wohl sagen. Aber warum diese Geheimnistuerei, die merkwürdige Verschlüsselung?«
    Brodka lachte bitter. »In zwei Dingen ist die Kirche ein wahrer Meister, im Verteilen von Hoffnung und Vermarkten von Geheimnissen. Insofern sind diese Kassetten gar nichts Besonderes.«
    Nachdem er den Zettel zum wiederholten Mal gelesen hatte, griff Sydow zum Telefon. »Ich kenne einen absolut bibelfesten Padre. Vielleicht kann der uns weiterhelfen.«
    Sydow wählte die Nummer und erkundigte sich nach dem Wortlaut von Johannes 8,46. Die Antwort kam prompt, und Sydow notierte auf das Blatt: ›Wer von euch kann mir eine Sünde nachweisen? Wenn ich Wahrheit verkünde, warum glaubt ihr mir nicht?‹
    »Sie mußten ja nicht einmal in der Bibel nachschlagen«, meinte Sydow bewundernd.
    »Kunststück«, erwidert der Padre. »Der Text ist der Beginn des heutigen Evangeliums nach Johannes zum Passionssonntag Judica.«
    »Zum Passionssonntag?«
    »Genau.«
    Sydow bedankte sich und legte auf.
    Brodka hatte alles mitgehört. »Glauben Sie immer noch an einen Anschlag der Roten Brigaden?«
    Sydow schien wie versteinert. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er auf den Zettel. »Bleiben zwei Fragen offen«, meinte er schließlich. »Was verbirgt sich hinter der Operation ›Urbi et Orbi‹? Und wer ist Asmodeus?«
    »Fangen wir mit Asmodeus an«, erwiderte Brodka und holte tief Luft. »Mir fehlt der letzte Beweis; aber nach allem, was ich bisher in Erfahrung bringen konnte, ist Asmodeus niemand anders als Kardinalstaatssekretär Smolenski.«
    »Das ist aber eine ziemlich kühne Behauptung, Brodka. Denn das würde ja bedeuten, daß Smolenski die Sprengung an seiner eigenen Kirche in Auftrag gegeben hat.«
    »Ich weiß«, entgegnete Brodka. »Aber ist nicht alles, womit wir uns seit Tagen beschäftigen, ziemlich widersinnig?«
    »Da haben Sie allerdings recht. – Und was ist die Operation ›Urbi et Orbi‹?«
    Brodka verzog das Gesicht. Unter seinen Aufzeichnungen zog er ein weiteres Blatt hervor, dessen Text nicht weniger verwirrend war. Er lautete: ›Markus 16,1-7 … Urbi et Orbi finis et initium  … Asmodeus.‹
    »Können Sie Latein?« fragte Brodka und reichte Sydow das Blatt.
    » Gallia omnis est divisa in partes tres «, antwortete Sydow. »Mehr als der Anfang von Cäsars Gallischem Krieg ist aus der Schulzeit nicht bei mir hängengeblieben.«
    »Bei mir leider auch nicht. Aber was finis et initium heißt, weiß ich noch: ›Ende und Anfang‹. Und bei der Bibelstelle könnte uns sicher Ihr Padre noch mal weiterhelfen.«
    Seufzend griff Sydow erneut zum Hörer und wählte die Nummer.
    »Entschuldigen Sie, Padre, wenn ich Sie schon wieder belästige, aber Sie sagten, Johannes 8,46 beziehe sich auf den heutigen Tag. Steht Markus 16,1-7, ebenfalls mit einem festen Datum in Verbindung? … Ostern? Ich danke Ihnen sehr, Padre.«
    Sydow legte auf.
    Schweigend starrten die beiden Männer auf das Blatt Papier. Ein jeder versuchte, unabhängig vom anderen, den geheimnisvollen Wörtern einen Sinn zu entnehmen.
    Sydow kapitulierte als erster. Nervös klopfte er mit den Fingern auf die Tischplatte.
    »Das kann alles oder nichts bedeuten«, sagte er unwillig. »Haben Sie sich schon mal Gedanken gemacht, ob man Sie nicht bloß an der Nase herumführen will?«
    Brodka lachte bitter auf. »Natürlich. Dagegen sprechen allerdings die Bemühungen dieser Leute, wieder in den Besitz der Kassetten zu kommen. Und die Rückgabe der Kunstwerke an Juliette war wohl kaum ein Akt später Reue, sondern eher ein großzügiges Angebot. Die Graphiken hatten immerhin einen Wert von einer halben Million Mark. Warum hat man ihr die Kunstwerke zurückgegeben? Es gab keinen Hinweis darauf, wer die Bilder ausgetauscht hatte. Und vor allem … der heutige Anschlag läßt mich nicht mehr am ernsthaften Inhalt der Tonbänder zweifeln.«
    Sydow preßte die Lippen aufeinander. Er wußte nicht weiter.
    »Versuchen wir mal, die Fakten zu ordnen«, begann er nach einer Weile. »Asmodeus, hinter dem wir Kardinalstaatssekretär Smolenski vermuten, wußte offensichtlich schon vor Wochen, daß am

Weitere Kostenlose Bücher