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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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konnte, sich zum Fenster wandte, stellte der Leichenbeschauer offiziell den Tod Noras fest. Ursache: Tod durch Erwürgen. Die Tat, erklärte er, sei vor etwa zehn Stunden begangen worden.
    Nach einer halben Stunde trafen die Beamten der Spurensicherung ein, zwei alte Hasen in diesem Job, die das Mobiliar, Flaschen und Gläser, sogar das auf dem Boden liegende Telefon und eine kostbare Armbanduhr, deren Armband durchgerissen war, mit Graphitpulver betupften, um Fingerabdrücke nehmen zu können. Außerdem wurden Fotos geschossen, wobei die Spurensicherungsleute munter über die ›Austria‹, einen traditionsreichen Wiener Fußballverein, diskutierten.
    Als zwei Bestatter mit einem Zinksarg erschienen und Nora an Armen und Beinen hineinhoben, stürzte Brodka zur Toilette neben dem Eingang und übergab sich. Die mißtrauischen Blicke des Kommissars, der die Tür zur Toilette aufmerksam im Auge behielt, entgingen ihm.
    »Na«, meinte Wallner mit falscher Freundlichkeit, als Brodka wieder im Zimmer erschien, »wollen S' uns jetzt vielleicht sagen, wie's wirklich war?«
    Brodkas Gesicht war bleich wie ein Bettlaken. Er fühlte sich elend, und das Sprechen fiel ihm schwer. Er wunderte sich nicht, daß der Kommissar an seiner Version des Geschehens zweifelte. Zu perfekt hatte man das Verbrechen eingefädelt. Aber wie sollte er seine Unschuld beweisen?
    »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt«, erklärte Brodka müde. »Es war so, wie ich es geschildert habe.«
    Ein beinahe mitleidiges Lächeln huschte über das Gesicht des Kommissars. Er trat vor Brodka hin und hielt ein Foto hoch. »Ein wirklich hübsches Bild von Ihnen«, sagte er. »Steckte im Mantel der Ermordeten. Haben Sie eine Erklärung dafür?« Er hielt das Bild in die Höhe, das ein Unbekannter mit dem Teleobjektiv geschossen hatte. »Und können Sie uns erklären, weshalb Sie sich heute früh gegen halb eins mit der Ermordeten gestritten haben, wie ein Nachbar der Frau aussagte?« Brodka schwieg; er gab sich geschlagen, als Wallner steif erklärte: »Herr Brodka, Sie sind wegen Mordverdachts vorläufig festgenommen.« Wallner löste die Handschellen von seinem Gürtel und ließ sie um Brodkas Handgelenke schnappen.
    Bei Brodka machte sich ein Gefühl der Gleichgültigkeit breit. Im Moment war ihm alles egal. Wie sollte er sich wehren? Ihm fehlte die Kraft, aber auch die Argumente. Er hatte nur das dringende Bedürfnis, diesen schrecklichen Ort zu verlassen.
    Der Assistent packte Brodkas Arm und führte ihn die Treppe hinunter zum Polizeifahrzeug. Fünf-, sechsmal flammten die Blitzlichter von Pressefotografen auf. Brodka nahm es wie durch einen Nebelschleier wahr und fragte sich beiläufig, wie es wohl sein würde, wenn sein Foto morgen in allen Zeitungen erschien. Alexander Brodka, der Frauenmörder! Er hatte diese Art sensationslüsterner Bilder immer verabscheut. Nun war er selbst zum Objekt solcher Fotos geworden – zum Abschuß freigegeben, wie man in seiner Branche zu sagen pflegte.
    Brodka war nicht mehr er selbst. Er war nicht einmal wütend über das, was mit ihm geschah. Er hatte das Gefühl, seiner Persönlichkeit beraubt worden zu sein, als hätte man ihn unter Drogen gesetzt. So ließ er alles ohne Protest über sich ergehen. Er war nur müde, hundemüde.
    Auch als die Hausbesorgerin, während der Assistent den Verhafteten ins Polizeifahrzeug drückte, mit gellender Stimme »Mörder, Mörder!« rief, prallte es an ihm ab wie ein Stein an einer Betonmauer.
    Zellen für Untersuchungshäftlinge sind nirgends auf der Welt eine Augenweide, und die Zelle, in die Brodka gesteckt wurde, machte keine Ausnahme. Kaum zehn Schritte bis zum Fenster – eher ein hohes Lichtloch aus Glasbausteinen – und gerade noch Platz für zwei mit Plastik bezogene Liegen.
    Brodka war nicht der erste Gast. Eine Stunde vor ihm hatte bereits ein anderer unfreiwillig Quartier in der Zelle bezogen. Der Mann trug einen dunkelblauen Anzug und eine rote Krawatte und tat sehr vornehm, was gar nicht zu ihm passen wollte, sobald er den Mund aufmachte.
    Er heiße Agostinos Schlegelmilch, stellte er sich vor und machte eine beinahe lächerlich elegante Handbewegung.
    Abwesend murmelte Brodka seinen Namen.
    Eine Zeitlang saßen die beiden sich auf ihren Pritschen wortlos gegenüber, Brodka mit gesenktem Kopf während Schlegelmilch ihn mit verlegenem Grinsen musterte und schließlich das Wort ergriff. »Sieht aus, als wärst du zum erstenmal im Häfen«, sagte er; dann hielt er die linke

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