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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Nora für betrunken, denn in der Wohnung stank es nach Alkohol. Doch als er näher trat, sah er die dunklen Flecken links und rechts an ihrem Hals. Noras Augen starrten ins Leere, als wären sie aus Glas. Die Lippen waren blau, und der Mund stand einen Fingerbreit offen.
    Brodka, der sich noch nie in einer solchen Situation befunden hatte, durchfuhr ein eisiger Schreck. Hilflos griff er nach Noras linker Hand. Sie fühlte sich kalt an, und als er sie losließ, fiel ihr Arm schlaff herab. Erst jetzt wurde Brodka wirklich klar, daß sie tot war.
    Im selben Augenblick wurde ihm die ganze Tragweite des Geschehens offenbar. Nora war ermordet worden.
    Und er war den Mördern in die Falle getappt.
    Kein Zweifel, man wollte ihm den Mord in die Schuhe schieben!
    In seinem Kopf jagten sich panische Angst und ohnmächtige Wut. Er fühlte, wie das Blut in seinen Schläfen hämmerte. Nur ein Gedanke beherrschte ihn: Weg hier!
    Im Treppenhaus vernahm er Stimmen. Er ging zur Tür, lauschte. Die Stimmen entfernten sich. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt, spähte nach draußen. Niemand war zu sehen.
    Brodka beschloß, sofort zu verschwinden. Er trat vor die Tür. Das Treppenhaus schien leer zu sein. In irgendeiner Wohnung dudelte ein Radio. Brodka atmete einmal tief durch; dann zog er die Wohnungstür hinter sich ins Schloß.
    Betont gleichmütig stieg er die Treppe hinunter. Es kostete ihn ungeheure Überwindung, nicht Hals über Kopf loszurennen. Bevor er das Haus verließ, warf er einen Blick nach draußen. Niemand zu sehen. Brodka überquerte den Hof und trat auf die Straße.
    Der Verkehrslärm erschien ihm wie Musik. Zu Fuß machte er sich auf den Weg zum Hotel. Er nahm die Passanten, die ihm entgegenkamen, kaum wahr. Erst jetzt schritt er schneller aus, ständig das Bild der Toten vor Augen. Als er nahe der Oper den Ring überquerte, begann er zu rennen.
    Auf seinem Zimmer angelangt, packte er hastig seinen Koffer, beglich die Rechnung und stieg in ein Taxi zum Flughafen. Brodka hörte gar nicht hin, als der Taxler zu reden begann. Zu viele Gedanken schossen ihm durch das Gehirn; verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
    Er sah ein, Flucht war die denkbar schlechteste Lösung.
    Das Taxi hatte die halbe Strecke zum Flughafen zurückgelegt, als Brodka den Fahrer aufforderte, zum Polizeipräsidium zu fahren.
    Der Taxler schaute Brodka verwundert von der Seite an, zuckte die Schultern und wendete in Richtung Schottenring. »Bittschön, der Herr. Es ist Ihr Geld.«
    Die Bundespolizeidirektion befand sich im 1. Bezirk, ein riesiger alter Kasten mit unzähligen Fenstern. Hinter einer Glasscheibe saß ein Beamter vor mehreren Telefonen und Monitoren. Als Brodka ihm den Mord meldete, zeigte der Mann nur wenig Interesse. Er schickte ihn zunächst zur Unfallaufnahme. Von dort wurde er an das Mordkommissariat verwiesen, an einen Beamten namens Wallner.
    Der hörte sich Brodkas Geschichte an, wobei er bisweilen das Gesicht verzog, als empfinde er Ekel und Abscheu. Schließlich rief er einen Assistenten zu sich, einen Zweizentnermann mit langsamen Bewegungen und einem buschigen Schnauzer, und meinte in einem Anflug von Temperament: »Also dann, pack ma's.« An Brodka gewandt sagte er höflich: »Wenn Sie bitte mitkommen wollen.«
    Am Steuer des Polizeifahrzeugs entpuppte sich der behäbige Assistent als temperamentvoller Fahrer; jedenfalls schien ihm das am Dach des Volkswagens befestigte Blaulicht Flügel und eine gewisse Todesverachtung zu verleihen, denn er überfuhr zwei rote Ampeln und benutzte sowohl Fahrbahn wie Bürgersteig, um zügig voranzukommen.
    An der linken Wienzeile eingetroffen, schickte der Kommissar seinen Assistenten zur Hausbesorgerin im vorderen Gebäude, die sich als resolute Endfünfzigerin mit aufgetürmten blonden Haaren entpuppte. Sie schloß die Tür zu Noras Wohnung auf. Nachdem es ihr mit einiger Mühe gelungen war, einen kurzen Blick ins Innere zu werfen, schlug sie die Hände über dem Kopf zusammen und klagte, daß so etwas – großer Gott! – ausgerechnet in ihrem Haus passieren müsse.
    Nachdem der Kommissar sich ein erstes Bild vom Tatort gemacht hatte, schickte er seinen Assistenten zum Dienstwagen, der im Hof parkte, um über Funk die Spurensicherung und den Leichenbeschauer zu rufen.
    Letzterer traf zuerst ein, ein junger, studentenhafter Typ mit randloser Brille und schwarzem Koffer. Während Brodka, der diese Prozedur nicht mit ansehen

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