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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Hand in die Höhe, die Finger gespreizt, und erklärte: »Bei mir ist's heuer der fünfte Besuch. Das härtet ab.«
    Obwohl er die Bemerkung komisch fand, konnte Brodka nicht darüber lachen. Er wollte seine Ruhe haben und nachdenken, nichts weiter als darüber nachdenken, wie er es anstellen sollte, hier wieder herauszukommen.
    »Und?« bohrte der andere weiter. »Warum bist' hier?«
    Brodka wollte nicht antworten, ahnte jedoch, daß sein redseliger Mitgefangener keine Ruhe geben würde. Deshalb erwiderte er: »Die wollen mir einen Mord anhängen.«
    Agostinos Schlegelmilch pfiff durch die Zähne. »Das ist ja 'n Ding!« sagte er, und in seiner Stimme schwang eine gewisse Bewunderung mit.
    »Verdammt, ich war's nicht!« rief Brodka.
    »Klar«, meinte Schlegelmilch, »du warst es nicht.« Es klang ein bißchen wie ein Trost, doch die Ironie war unüberhörbar. Beschwichtigend fuhr er fort: »Keine Angst. Du brauchst deine Unschuld nicht zu beweisen. Die müssen dir deine Schuld beweisen.«
    »Ich bin unschuldig, verdammt«, wiederholte Brodka ungehalten.
    Schlegelmilch hob beide Hände: »Ist scho' gut, ist scho' gut.« Und nach einer Pause: »Was war's denn genau?«
    »Mord an einer Prostituierten.«
    Agostinos Schlegelmilch begann laut zu lachen. Prustend stieß er hervor: »A Schnall'n hat er gekillt, a Schnall'n!«
    Das abstoßende Lachen des anderen war zuviel für Brodka. Er sprang auf und wollte Schlegelmilch mit dem Handrücken der Rechten ins Gesicht schlagen.
    Der Mann fing den Schlag mit der Hand auf und verstummte abrupt. Für einen Moment schien er versucht, aufzuspringen und es Brodka mit gleicher Münze heimzuzahlen; dann aber entspannte sich seine Haltung.
    »Tu das nicht noch einmal, Freunderl«, sagte er leise, aber mit bedrohlichem Unterton, ehe er Brodkas Handgelenk wieder losließ.
    Brodka setzte sich schwerfällig auf die Pritsche und schwieg.
    »Mach dir nicht die Hosen voll«, sagte Schlegelmilch. »Der Mord an einer Nutte ist in den Augen unserer Justiz eigentlich gar kein richtiger Mord. Da gibt's Gutachter, die bescheinigen dir verminderte Zurechnungsfähigkeit, Sexualekel oder ein gestörtes Verhältnis zu deiner Mutter, und schon bist du aus dem Häfen wieder raus. Nichts leichter als das, glaub mir.«
    Brodka widerstrebte es, dem Mann überhaupt zuzuhören. Andererseits hatte dieser seltsame Typ anscheinend wirklich Erfahrungen mit dem hiesigen System – mehr jedenfalls als Brodka selber. Er beschloß, sich seinem Zellenpartner anzuvertrauen. Was hatte er schon zu verlieren?
    »Ich werde verfolgt«, begann er und erzählte Schlegelmilch, wie die ›Schnalle‹ von Unbekannten auf ihn angesetzt worden war – Unbekannte, die vermutlich Noras Mörder waren und nun versuchten, ihm diesen Mord in die Schuhe zu schieben.
    Schlegelmilch zog die Brauen hoch. »Hast du eine Ahnung, wer hinter dir her ist?« fragte er.
    »Wenn ich das wüßte, wäre mir wohler«, erwiderte Brodka und fügte wütend hinzu: »Dann hätte ich wenigstens einen Feind, gegen den ich etwas unternehmen könnte!«
    Die Bemerkung schien Schlegelmilch Unbehagen zu bereiten, denn er entgegnete: »Du bist wohl einer von den ganz Mutigen, was? Mann, du lebst gefährlich!«
    Brodka verstand nicht, was er meinte, hatte aber keine Lust, noch mehr preiszugeben, und starrte schweigend auf den glatten Boden.
    Agostinos Schlegelmilch entledigte sich seines Jacketts; dann löste er die Krawatte und legte sich auf seine Pritsche. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und blickte zur Decke. Es schien, als dächte er nach. Schließlich fragte er, ohne den Blick von der Decke zu nehmen: »Hast du Kohle? Ich meine, bist du reich?«
    »Was heißt reich«, murmelte Brodka abwesend.
    »Was heißt reich?« äffte Schlegelmilch ihn nach. »Hast viel Schotter, oder bist a armer Hund?«
    Zum erstenmal legte sich der Anflug eines Lächelns auf Brodkas Gesicht. »Ich habe ein bißchen Schotter. Ehrlich gesagt weiß ich selbst nicht einmal, wieviel.«
    »Geerbt?«
    Brodka nickte.
    »Das stinkt, das stinkt sogar sehr!« rief Agostinos, erhob sich und blickte Brodka an. »Und weißt du, wonach das stinkt? Nach der ehrenwerten Gesellschaft.« Er zog die Brauen in die Höhe und lächelte verschmitzt. »Die kennen deinen Kontostand besser als du selbst. Kannst mir glauben.«
    Brodka war es unerklärlich, weshalb er diesem zwielichtigen Typen soviel Vertrauen entgegenbrachte. Vielleicht machte die ungewöhnliche Situation ihn so gesprächig.

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