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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Andererseits hatte er schlicht das Bedürfnis, sich jemandem mitzuteilen. Er rang sich ein Schmunzeln ab und entgegnete: »Also, für die Mafia sind mein Vermögen und ich selbst bestimmt eine Nummer zu klein.«
    Agostinos Schlegelmilch wiegte den Kopf. »Sag das nicht. Wenn du selbst nicht mal weißt, wieviel Kohle du hast …«
    Brodka blickte sein Gegenüber mißtrauisch an. »Du kennst dich da anscheinend aus«, meinte er.
    Verlegenes Schweigen. Dann Schlegelmilchs vielsagende Antwort: »Du weißt doch, wie das ist. Man kennt einen, der wiederum einen kennt, und der ist …«
    »Ach, so ist das.«
    »Ja, so ist das.«
    »Und was macht die ehrenwerte Gesellschaft, wenn es nicht gerade um viel Geld geht?«
    Agostinos grinste. »Zum Beispiel Aufträge für ehrenwerte Leute erledigen, die sich nicht die Finger schmutzig machen wollen. Wenn du willst, kann ich mich für dich umhören, sobald ich morgen hier rauskomme. Gegen Spesen, versteht sich.«
    »Ist das nicht gefährlich?«
    »Das ganze Leben ist gefährlich. Mach dir um mich keine Sorgen. Du erreichst mich unter Schwitzko, Zwölfergasse 112, am Westbahnhof.«
    »Deine Frau?«
    »Na. Meine Postanlaufstelle. I bin net verheiratet. I bin schwul, wenn'stes genau wissen willst.«
    Brodka musterte den Mann. Er hielt Schlegelmilch für einen kleinen Gauner, einen Angeber. »Woher willst du wissen, daß du morgen rauskommst?« fragte er spöttisch.
    Agostinos setzte ein hinterhältiges Grinsen auf und antwortete mit einer Gegenfrage: »Weißt du, was ein Haftrichter im Monat verdient? Keine 30.000 Schilling. Für so einen sind 50.000 eine Riesennummer. Verstehst, was ich meine? Morgen abend sitz' ich im ›Roten Gimpel‹ und sauf mir einen an. Wetten?«
    Am folgenden Tag nahm das Schicksal für Brodka eine unerwartete Wendung. Nach einem weiteren Verhör am Vormittag, bei dem er nichts anderes ausgesagt hatte als am Tag zuvor, war er in seine inzwischen leere Zelle zurückgebracht worden. Der Kommissar hatte ihm geraten, sich einen Anwalt zu nehmen, aber noch ehe Brodka dieser Aufforderung nachkommen konnte, erschien der Kommissar erneut in der Zelle und überbrachte Brodka die unverhoffte Nachricht, er sei frei; die Beweise reichten nicht aus, um ihn festzuhalten. Im übrigen habe sich eine neue Sachlage ergeben.
    Auf sein Drängen erfuhr Brodka, was geschehen war: Herr Erich vom Grand Hotel hatte zwei Betrüger zur Anzeige gebracht, die überstürzt und ohne ihre nicht unerhebliche Rechnung zu begleichen, das Hotel verlassen hatten – ein Fall, wie er nicht gerade häufig vorkommt, und der umfangreiche Ermittlungen nach sich zieht.
    Bei der Beschreibung der Täter kamen den Ermittlern das geschulte Auge von Herrn Erich, seine mehr als dreißigjährige Berufspraxis und seine besonderen Ansichten in Bezug auf Geschmack und Kultiviertheit zu Hilfe – kurz, der scheinbar gleichmütige Portier hatte nicht nur eine präzise Beschreibung der Männer geliefert, welche die Erstellung zweier brauchbarer Phantombilder erlaubte, Herr Erich hatte überdies bei einem der beiden ein besonderes Kennzeichen bemerkt, eine Armbanduhr von Lange & Söhne, gut und gern eine halbe Million Schilling wert und Zeichen eines erlesenen Geschmacks.
    Nach Auffassung von Herrn Erich hätten weder der materielle noch der ideelle Wert dieser Uhr zu dem Mann gepaßt; deshalb habe er das Auftreten der beiden von Anfang an mit Argwohn verfolgt. Als bekannt wurde, daß die Männer das Hotel in betrügerischer Absicht verlassen hätten, ließ der Portier das Zimmer bis zum Eintreffen der Spurensicherung bewachen, die – außer gut verwertbaren Fingerabdrücken – auf einem Schreibblock neben dem Telefon den Abdruck einer Telefonnummer entdeckten; die Nummer von Nora Markowicz, die in der Nacht zuvor eines gewaltsamen Todes gestorben war.
    Also wanderte der Fall der beiden Unbekannten vom Betrugs- zum Morddezernat, und als der Kommissar Herrn Erich die in der Wohnung Noras aufgefundene Uhr mit dem gerissenen Armband präsentierte, erklärte der Portier, ja, das sei die Uhr eines der beiden Herrn, ein seltenes Stück; er glaube, daß es in ganz Wien kein zweites Exemplar davon gebe. Außerdem, so der Kommissar, habe die Hausbesorgerin des Gebäudes an der Linken Wienzeile anhand des Phantombilds bestätigt, einen der Männer beobachtet zu haben, als er Noras Wohnung verließ. Grund genug, Brodka aus der Haft zu entlassen.
    Brodka war frei, doch seine Stimmung war gedrückt. Er ertappte sich

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