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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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dabei, daß er aus Angst vor Verfolgern nervös um sich blickte, daß er seine Schritte beschleunigte, sobald jemand sich ihm näherte, und daß er den Blick senkte, wenn ein Fremder ihn anschaute.
    Selbst wenn man die beiden Kerle faßt – wäre damit auch dein Fall aus der Welt geschafft, fragte er sich. Für Brodka gab es keinen Zweifel, der Mord sollte ihm angelastet werden. Man wollte ihn aus dem Weg schaffen. Aber warum? Und warum so umständlich? Wieso hatten diese Leute ihn nicht ebenfalls getötet?
    Am Schottentor stieg Brodka der aromatische Geruch, der von einem Würstelstand ausging, in die Nase. Er aß eine Käsekrainer mit scharfem Senf und geriebenem Kren. Als er den Pappteller in die Abfalltonne warf fiel sein Blick auf die Zeitungen am benachbarten Kiosk, hier Trafik genannt. Leise fluchend blickte er auf sein Foto und legte unwillkürlich die linke Hand vors Gesicht, damit niemand ihn erkannte. Eine unsinnige Handlung.
    Er brauchte sich nicht zu verstecken. Er war kein Mörder. Er war ein freier Mann.
    Seine größte Sorge galt nun Juliette, der er erklären mußte, was passiert war, bevor sie alles aus der Zeitung erfuhr. Er wußte nicht, wie sie reagieren, ja, ob sie ihm überhaupt glauben würde. Er hatte Angst vor dem Gespräch. Und wenn sie ihn ein mieses Schwein nennen würde, einen Lügner und Hurenbock, könnte er ihr nicht einmal böse sein.
    Von einer Telefonzelle am Rathausplatz wählte er die Nummer ihrer Galerie. Erst jetzt bemerkte er, daß seine Hand zitterte. Er behielt die Umgebung im Auge, während das Freizeichen ertönte. Niemand hob ab. Brodka versuchte, Juliette zu Hause zu erreichen, aber auch dort blieb sein Anruf unbeantwortet.
    Schließlich ließ er sich auf einer Parkbank nieder, mit Blick aufs Burgtheater. Ihn fröstelte. Er versuchte, das Geschehen der letzten Tage zu analysieren, vernünftige Schlüsse zu ziehen, die ihm helfen konnten, sich seine nächsten Schritte zu überlegen.
    Er mußte an seine gestrige Begegnung mit Agostinos Schlegelmilch denken, diesem seltsamen, nestroyhaften Gecken in der Gefängniszelle. Hatte der Kerl nicht selbstsicher erklärt, er würde heute aus dem Gefängnis entlassen und sich einen ansaufen? Offenbar hatte der Bursche gute Beziehungen, denn er war tatsächlich auf freien Fuß gekommen. Überhaupt schien dieser Kerl in der Wiener Unterwelt eine bekannte Größe zu sein – oder er verfügte über Hintermänner, die ihm behilflich waren.
    So gesehen, erschien ihm Schlegelmilchs Angebot, sich umzuhören, wer seine Verfolger waren und welche Ziele sie hatten, keineswegs so unsinnig wie noch am Vortag. Wo, hatte Schlegelmilch gesagt, war er zu erreichen? Brodka waren nur der Name Schwitzko und der Westbahnhof im Gedächtnis geblieben; Schlegelmilchs genaue Adresse hatte er vergessen. Und Brodka war sicher, daß Schwitzko nicht im Telefonbuch stand.
    Also winkte er ein Taxi heran, nannte den Westbahnhof als Fahrziel und fragte den Taxler unterwegs nach sämtlichen Straßen um den Westbahnhof. Schon nach kurzer Aufzählung wurde Brodka fündig: Zwölfergasse.
    ›Schwitzko, Zwölfergasse Nummer 112, am Westbahnhof‹, hatte Schlegelmilch gesagt.
    Das Haus ähnelte jenem Hinterhaus an der Linken Wienzeile auf verblüffende Weise und schürte in Brodka den Verdacht, daß in dieser Stadt die meisten Mietshäuser so aussähen: alt, schauerlich und furchteinflößend.
    Brodka fand den Namen Schwitzko ganz oben auf dem Klingelbrett. Natürlich gab es keinen Lift in einem Haus wie diesem; also stieg Brodka bis in den sechsten Stock hinauf und läutete.
    Ein Mann in Unterhemd und Boxershorts öffnete. Er hatte ein rosarotes Gesicht, Halbglatze und eine abstoßende schneeweiße Haut.
    »Sie wünschen?« fragte er mit steifer Förmlichkeit und gewährte bei seinem Lächeln den Blick auf einen goldgefaßten Eckzahn. Doch sein Mißtrauen war beinahe mit Händen zu greifen.
    Brodka nannte seinen Namen und den Grund seines Kommens. Agostinos, mit dem er einen Tag die Zelle geteilt habe, habe ihm diese Adresse genannt. »Ist er da?« fragte Brodka.
    Der seltsame Mann verneinte, bat Brodka aber mit großer Freundlichkeit in die Wohnung, denn Agostinos' Freunde seien auch seine Freunde. Er selbst heiße Titus.
    Die Wohnung war liebevoll und mit allerlei Krimskrams eingerichtet und bot somit einen deutlichen Kontrast zum Erscheinungsbild des Bewohners, der einen ziemlich heruntergekommenen Eindruck machte.
    Titus bot Brodka einen Stuhl an, ging zum

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