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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Telefon und wählte eine Nummer; dann reichte er Brodka den Hörer. Am anderen Ende der Leitung meldete sich Schlegelmilch. Der reagierte zunächst ungehalten, als er Brodkas Stimme hörte, doch als dieser den Grund seines Anrufs nannte, erinnerte Schlegelmilch sich an seine Worte und versprach, Erkundigungen einzuziehen – gegen Erstattung der Unkosten, verstehe sich. Er solle morgen wieder zu Titus kommen.
    Brodka bedankte sich bei Titus und wandte sich zum Gehen, doch der häßliche Mann, eine Flasche Gin in der Hand, redete auf Brodka ein, er möge noch bleiben; er wolle sich nur rasch etwas überziehen.
    Brodka konnte Gin nicht ausstehen, doch in seinem Zustand wirkte der Alkohol auf ihn wie Medizin, und er kippte ein volles Glas auf einen Zug hinunter. Dann erschien Titus wieder im Zimmer. Anständig gekleidet machte er einen seriöseren Eindruck. Und wenn er redete, wurde deutlich, daß er kein ungebildeter Penner war, sondern bessere Tage gesehen hatte.
    Nichts verbindet zwei Männer so sehr wie eine Flasche und zwei Gläser. Jedenfalls löste der Gin Titus' Zunge. Es dauerte nicht lange, und er begann aus seinem Leben zu erzählen, als habe er nur auf die Gelegenheit gewartet, ausgiebig mit einem Fremden zu plaudern.
    Titus war ehemaliger Geistlicher und Doktor der Theologie. Bis vor drei Jahren war er angeblich der Sekretär eines Kurienkardinals gewesen; dann habe er seinen lange unterdrückten Neigungen zum eigenen Geschlecht nachgegeben und ein Verhältnis mit einem jungen Kaplan angefangen. Das sei in ›diesen Kreisen‹, so Titus, eigentlich nichts Besonderes und bliebe ohne Folgen, solange man alles abstreite. Doch wie Titus unverblümt und ohne Hemmungen schilderte, habe er sich öffentlich zu seiner Neigung bekannt und sei deshalb vom Priesteramt suspendiert worden. Danach sei er von ›anderer Seite‹ – was er nicht näher erläutern wolle – ständigen Verfolgungen und der Drohung ausgesetzt worden, daß man ihn beseitigen wolle, so daß er, aus Angst um sein Leben, eines Tages untertauchte. Natürlich hieße er nicht Titus, und der Name ›Schwitzko‹ an der Wohnungstür sei der einer alten Dame, die seit dem Tod ihres Mannes 350 Tage im Jahr in Florida verbringe.
    Irgendwie fühlte Brodka sich diesem seltsamen Mann verwandt; denn auch er hatte es mit einem übermächtigen Gegner zu tun – und das erzählte er Titus auch. Nur war seine Lage, so Brodka, noch verzweifelter, weil er seinen Gegner nicht einmal kannte.
    Geteiltes Leid ist halbes Leid, und so soffen sich beide ihren Kummer von der Seele. Es war längst Abend geworden, als plötzlich jemand an der Tür klingelte. Es war Agostinos Schlegelmilch, der – für die beiden Männer völlig unerwartet – in der Wohnung erschien.
    Brodka hatte Agostinos als umgänglichen Menschen kennengelernt, der ihm weit weniger Mißtrauen entgegengebracht hatte als umgekehrt. Jetzt aber lag Argwohn in Schlegelmilchs Haltung und Aggressivität in seiner Stimme.
    »Was hast du hier so lange zu suchen?« fuhr er Brodka an. »Verschwinde und sag bloß keinem, daß du hier gewesen bist. Hast du verstanden?«
    »Was regst du dich so auf?« fragte Brodka, der schlagartig nüchtern wurde. »Du wolltest doch etwas über meine Verfolger in Erfahrung bringen. Hast du schon was rausgefunden?«
    Statt einer Antwort packte Agostinos Brodka am Kragen, zerrte ihn zur Tür und drängte ihn ins Treppenhaus. Dabei zischte so er leise, daß niemand es hören konnte: »Gib auf mein Freund. Gegen diese Gegner hast du keine Chance.«
    »Was willst du damit sagen?« fragte Brodka.
    »Hau endlich ab!« fuhr Schlegelmilch ihn an und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    Brodka fuhr mit einem Taxi zur Bundespolizeidirektion, holte sein Gepäck ab und begab sich erneut zum Grand Hotel, wo er von Herrn Erich, dem er indirekt seine Freiheit verdankte, freudig in Empfang genommen wurde.
    Am Abend erreichte Brodka Juliette am Telefon. Die zeigte sich besorgt, obwohl sie noch keine Ahnung hatte, was in den vergangenen 48 Stunden geschehen war. Brodka beließ es bei Andeutungen, er sei in einen Mordfall verwickelt worden, was sich jedoch als Irrtum erwiesen habe. Sie solle sich keine Sorgen machen. Morgen werde er zurück sein.
    In dieser Nacht fand Brodka keinen Schlaf. Ein ums andere Mal kreisten seine Gedanken um die Ereignisse der letzten Tage, und wieder versuchte er vergeblich, das wirre, absurde Geschehen in einen Zusammenhang zu bringen. Daß ausgerechnet Agostinos

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