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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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vollauf bewußt, daß er gegen den wuchtigen Mann keine Chance hatte; dennoch ging er mit unbändiger Wut auf ihn los und rief: »Ich will den Stationsarzt sprechen, sofort!«
    Jo packte Brodka an den Handgelenken und drückte ihn mit seiner gewaltigen Kraft nieder, daß er in die Knie ging. So hielt er Brodka eine Zeitlang; dann ließ er den stöhnenden Mann los. Während Brodka seine brennenden Handgelenke rieb, sagte Jo gelassen: »In Ordnung, ich hole den Stationsarzt. Dann kannst du ihm deine Version der Geschichte erzählen. Ich werde ihm sagen, daß alles erstunken und erlogen ist. Was meinst du, wem wird der Doktor glauben? Dir oder mir? Und es macht sich bestimmt nicht gut in deiner Krankengeschichte, wenn du ihm deine Story auftischst.«
    Brodka setzte sich auf die Bettkante und senkte resigniert den Kopf. Er konnte sich nicht vorstellen, in absehbarer Zeit aus diesem Gefängnis zu entkommen.
    Juliette hatte mit dem römischen Kunstsammler telefoniert, einem gewissen Alberto Fasolino, und ihm von der Fälschung berichtet. Fasolino zeigte sich ungehalten wegen des Vorwurfs, ihr einen falschen de Chirico verkauft zu haben. So etwas habe er nicht nötig, erklärte er wütend; er entstamme mütterlicherseits einem alten römischen Adelsgeschlecht, das sich über Jahrhunderte hinweg durch Redlichkeit hervorgetan und Dutzende von Päpsten auf der Sedia gestatoria durch die Gegend geschleppt habe, was nur Angehörigen der vornehmsten und frommsten Familien erlaubt gewesen sei. Würde der Papst noch heute an diesem Brauch festhalten – er, Alberto Fasolino, wäre einer der ersten Anwärter für dieses Amt. Und was den Holzschnitt betreffe, so könne er gleich mehrere Experten aufbieten, welche die Echtheit des Werkes zu bestätigen bereit seien – solange es sich in seinem Besitz befand.
    Für Juliette gab es eigentlich nur zwei Erklärungen: Entweder war der de Chirico auf dem Transport von Rom nach München gegen eine Fälschung ausgetauscht worden oder der Austausch fand erst statt, als das Bild bereits in der Galerie hing.
    Gegen die erste Möglichkeit sprach, daß Juliette den Holzschnitt bei Empfang eingehend auf Transportschäden untersucht hatte. Dabei waren ihr keine Form- oder Farbabweichungen aufgefallen, die auf eine Kopie schließen ließen. Andererseits hätte ein Austausch in der Galerie nur während eines nächtlichen Einbruchs stattfinden können. Aber das Türschloß war unversehrt, und die Alarmanlage war stumm geblieben.
    Doch es sollte noch schlimmer kommen: Für den nächsten Tag hatte der Staatsanwalt die Prüfung der angeblich gefälschten Kunstwerke in der Galerie durch Dr. Senger vom Dörner-Institut und Professor Reimann von den Staatlichen Graphischen Sammlungen angekündigt.
    Die Galerie war noch immer versiegelt, und Juliette atmete auf, daß Senger und Reimann die Prüfung vornehmen sollten, zwei Experten, die über jeden Zweifel erhaben waren. Mit beiden hatte sie des öfteren zu tun gehabt. Reimann stand sogar in ihrer Kundenkartei.
    »Eine peinliche Geschichte«, meinte Professor Reimann tröstend. »Tut mir wirklich leid. Wie konnte Ihnen das nur passieren?«
    Wie zur Entschuldigung hob Juliette die Schultern und blickte zur Tür, denn der Staatsanwalt traf ein, begleitet von Dr. Senger.
    Noch bevor der Staatsanwalt Juliette die Anweisung erteilte, die Eingangstür aufzuschließen, prüfte er das Siegel mit dem schwarzen Adler. Umständlich nahm er seine randlose Brille ab und betrachtete das Siegel von allen Seiten. Schließlich meinte er mit drohender Stimme: »Das hätten Sie nicht tun sollen, Frau Collin.«
    »Was hätte ich nicht tun sollen?« fragte Juliette irritiert.
    »Das Siegel ist erbrochen«, erklärte der Staatsanwalt. »Das Erbrechen eines Siegels zur Vertuschung einer Straftat kann mit Gefängnis mit bis zu einem halben Jahr bestraft werden.«
    Juliette warf ihm einen verständnislosen Blick zu. »Warum sollte ich in meine eigene Galerie einbrechen? Das müssen Sie mir erklären, Herr Staatsanwalt.«
    »Dafür könnte es verschiedene Gründe geben.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, um in der Galerie ausgestellte Falsifikate in letzter Minute gegen die Originale auszutauschen. Wenn Sie jetzt bitte aufschließen würden.«
    Juliette schluckte die scharfe Erwiderung hinunter, die ihr auf der Zunge lag, und schloß die Tür auf. Die Alarmanlage piepte, was zeigte, daß sie aktiviert war, aber sie war offensichtlich nicht ausgelöst worden. Juliette atmete auf.

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