Purpurschatten
Staatsanwalt das Fachgespräch: »Professor, würden Sie mir bitte auf allgemein verständliche Art und Weise erklären, wovon Sie reden? Sie wollen mir doch nicht etwa weismachen, daß von einem Geheimdienst Kunstwerke gefälscht wurden?«
»Was wundert Sie daran, Herr Staatsanwalt?«
»Ich könnte mir vorstellen, daß ein Geheimdienst andere Aufgaben hat, als Bilder zu fälschen.«
»Gewiß, aber Geheimdienste brauchen Geld, viel Geld, und gefälschte Kunstwerke sind eine relativ saubere Sache, um an Geld zu kommen. Sie erinnern sich an van Goghs Sonnenblumen? Das Gemälde wurde 1987 für 77 Millionen Mark versteigert. Herkunft unbekannt. Auf öffentlichen Druck mußte das Auktionshaus zehn Jahre später gestehen, daß der angebliche van Gogh aus dem Besitz des Zeichenlehrers und Kunstfälschers Claude-Emile Schuffenecker stammte. Ich überlasse es Ihnen, Schlüsse daraus zu ziehen.«
Der Staatsanwalt machte ein verblüfftes Gesicht. »Diese Jawlenskys hätten wirklich Fälschungen des KGB sein können?« fragte er.
Reimann schmunzelte in sich hinein. Es schien, als bereite die Geschichte ihm sichtliches Vergnügen. »Wissen Sie«, meinte er bedächtig, »Sie dürfen sich das nicht so vorstellen, daß irgendwelche russischen Agenten in einer Moskauer Dachkammer saßen und sich an Jawlensky versuchten. Das lief ganz anders. Zu Zeiten des Kalten Krieges hat der russische Geheimdienst sich an verschiedene Fälscher herangemacht. In den meisten Fällen ließen sie diese Leute auffliegen. Sie drohten mit drakonischen Strafen, versprachen den Fälschern gleichzeitig aber ein sattes Einkommen, wenn sie sich bereit erklärten, ausschließlich für den KGB zu arbeiten. Eine Praxis, die im übrigen nicht nur von den Russen gehandhabt wurde. Die Russen gingen nur mit besonderer Raffinesse vor.«
»Und sie haben auch Werke von Jawlensky fälschen lassen?« Der Staatsanwalt zeigte auf die Aquarelle, die auf Juliettes Schreibtisch lagen.
»Mit Jawlensky hat es seine besondere Bewandtnis. Von Farbgebung und Malweise zählt er zu den Malern, deren Werke am leichtesten zu fälschen sind. Er steht da in einer Reihe mit Corot, von dem man sagt, er habe in seinem Leben zweitausend Bilder gemalt, von denen allein sechstausend in Amerika hingen.«
Der Professor lachte über diesen Scherz; dann aber sah er Juliettes ernstes Gesicht und fuhr verhalten fort: »Seit vielen Jahren tauchen auf dem Kunstmarkt immer wieder Jawlensky-Aquarelle auf. Sie galten zunächst als Sensation, weil dieser russische Expressionist kaum Aquarelle gemalt hat. Kein Mensch wußte, woher die Werke kamen, am allerwenigsten die Käufer. Um den Markt zu beruhigen, wurde schließlich eine abenteuerliche Geschichte in Umlauf gebracht: Jawlensky, hieß es, habe 1917 seinem Bruder Dimitri 600 Aquarelle nach St. Petersburg gesandt, mit denen dieser jedoch nichts anzufangen wußte. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion seien die Kunstwerke wieder aufgetaucht. Nähere Einzelheiten sind unbekannt.«
»Und Sie glauben, die drei Bilder hier stammen auch aus dieser Quelle?«
»Eben nicht!« erwiderte der Professor und hielt dem Staatsanwalt eines der Bilder hin. »Dagegen spricht schon das Papier, auf dem sie gemalt sind.«
»Aber es sind Fälschungen, nicht wahr?«
»Fälschungen neueren Datums. Ich halte Frau Collins Ansicht, daß die ursprünglichen Originale gegen Auftragskopien ausgetauscht wurden, nicht einmal für unwahrscheinlich. Eine Vermutung, wie das vonstatten gegangen sein könnte, möchte ich allerdings nicht äußern.«
Der Staatsanwalt trat an Juliettes Schreibtisch. »Und Sie, Frau Collin? Möchten Sie etwas dazu sagen?«
»Nein«, erwiderte Juliette, »denn ich habe nichts damit zu tun.«
»Dann erkläre ich die sieben Bilder für die Dauer der Ermittlungen als beschlagnahmt.«
Für Juliette brach eine Welt zusammen.
Seit drei Tagen genoß Brodka den Luxus eines altmodischen Lautsprecherkissens mit einem Kabel, das man in eine dafür vorgesehene Buchse stecken mußte. Es gab nur ein Programm, und das auch nur während des Tages.
Seit geraumer Zeit, seit der Pfleger Jo ihn betrogen und um sein Geld gebracht hatte, ging Brodka ein Gedanke durch den Kopf: wie er sich an dem Betrüger rächen könnte. Jeden Morgen, wenn Brodka aufwachte und die Visage des Pflegers in der Tür erschien, schwor er sich aufs neue, es diesem Mann heimzuzahlen, sobald er hier herauskäme.
Brodka vermied es, mit Jo auch nur ein Wort zu wechseln. Und der
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