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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Soviel bleibt mir gerade mal im Monat zum Leben, nach Abzug aller Kosten. Aber was kümmert's dich, Brodka?«
    Brodka erhob sich im Bett und strich verlegen über die Decke. »Ich biete dir zehntausend.«
    »Wofür?«
    »Wenn du mir für eine Nacht deinen Universalschlüssel überläßt.«
    »Du bist ja verrückt, Mann.«
    Brodka grinste. »Eben nicht. Das ist es ja gerade.«
    »Zehntausend?« Jo blickte sich im Zimmer um, als suchte er nach dem Versteck des Geldes. Schließlich erwiderte er in verschwörerischem Tonfall: »Für zehntausend würde ich's tun. Aber die Geschichte kann mich meinen Job kosten.«
    Auf dieses Argument hatte Brodka nur gewartet. »Glaubst du, ich bin so dumm, daß ich daran nicht gedacht habe? Paß auf. Du überläßt mir morgen abend deinen Schlüssel. Alles weitere braucht dich nicht zu kümmern. Wenn ich den Schlüssel nicht mehr brauche, lege ich ihn unter den Heizkörper neben dem Eingang zum Besucherraum. Dort holst du ihn am Morgen, und niemand wird je erfahren, wie der Patient Brodka durch alle Türen gegangen ist.«
    Der Pfleger rieb sich das Kinn. Brodka glitt aus dem Bett, hob das vernickelte Bettgestell an der Rückseite hoch, zog aus dem hohlen Rahmen eine Rolle Geldscheine und reichte sie Jo.
    Der benetzte Daumen und Zeigefinger mit der Unterlippe und zählte die Scheine. »Zehntausend!« bemerkte er staunend und blickte Brodka verwundert an.
    »Gehört dir«, meinte Brodka mit gespielter Gleichgültigkeit.
    »Für den Fall, daß ich da mitmache – wann soll die Sache steigen?« fragte Jo, noch immer unentschlossen.
    Brodka lachte leise. »Na, heute abend.«
    Jo steckte das Geld in die Tasche und verschwand aus dem Zimmer.
    Brodkas Plan war folgender: Im Besitz des Universalschlüssels, wollte er mit seiner Flucht bis nach Mitternacht warten. Um diese Zeit herrschte auf den Gängen völlige Stille, und die Möglichkeit einer unliebsamen Begegnung war gering. Brodkas Ziel war nach wie vor die Kleiderkammer mit den Wäschecontainern im gegenüberliegenden Gebäude. Diesmal aber wollte er nicht über das vordere Treppenhaus dorthin, wo in jedem Stockwerk eine Aufsicht wachte und es praktisch kein Durchkommen gab, ohne Alarm auszulösen. Auf dem Weg zum Besucherzimmer hatte Brodka einen hinteren Ausgang bemerkt, der zwar stets verschlossen war – aber dafür bekam er ja den Universalschlüssel.
    Gespannt wartete Brodka auf das Abendessen.
    Ihm war, als träfe ihn ein Faustschlag in die Magengrube, als die Tür seines Zimmers geöffnet wurde und eine Nonne, die Brodka noch nie gesehen hatte, mit dem Abendessen erschien.
    »Wo ist Jo?« fragte Brodka, als die Schwester das Tablett abstellte.
    »Nicht da«, lautete die lapidare Antwort. Und schon war die Nonne verschwunden.
    Wo mochte Jo geblieben sein? Brodka schossen tausend Gedanken durch den Kopf. Was hatte das zu bedeuten? Hatte irgend jemand von dem Plan erfahren und Jo abgelöst? Gab es hier irgendwo versteckte Mikrofone? Oder hatte der Mistkerl sich das Geld einfach eingesteckt? Unruhig ging Brodka zwischen seinem Bett und dem Fenster hin und her. Das Essen rührte er nicht an.
    Nach einer halben Stunde kam die Nonne erneut ins Zimmer, nahm das unberührte Tablett und verschwand, ohne ein Wort zu sagen. Brodka hörte noch, wie der Schlüssel sich im Schloß drehte; dann wurde es still.
    Brodka gab die Hoffnung auf. Der Hundesohn hatte ihn reingelegt. Brodka legte sich ins Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf.
    Als er am nächsten Morgen erwachte, stand Jo im Zimmer.
    »Wo warst du gestern?« fragte Brodka aufgebracht. »Was ist passiert?«
    »Wieso? Ich hatte meinen freien Abend«, stellte Jo sich dumm.
    »Und was ist mit unserer Abmachung?« Brodka schwang sich aus dem Bett, baute sich vor dem Pfleger auf und schrie ihn an: »Glaubst du, ich hab' dir die zehntausend aus Nächstenliebe zugesteckt?«
    »Zehntausend? Welche Zehntausend? Und was für eine Abmachung? Ich weiß nicht, wovon du sprichst.« Jo drehte sich um und wollte das Zimmer verlassen.
    Doch Brodka trat ihm in den Weg. »Hiergeblieben!« rief er. »Ich will die zehntausend Schilling zurück. Kein Universalschlüssel, kein Geld.«
    Jo lachte laut und hämisch auf. »Ich fürchte, mein Freund, das ist leider ein weiterer Beweis für paranoide Schizophrenie. Und jetzt ab ins Bett mit dir! Sonst hole ich den Stationsarzt.«
    »Du bist ein mieses, dreckiges Schwein!« zischte Brodka.
    Jo grinste überlegen. »Und du bist ein armer Irrer.«
    Brodka war sich

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