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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Bilder nicht selbst übernommen hatte.
    Als Juliette mit dem Taxi in der Via Banco Santo Spirito eintraf, fiel ihr ein junger Mann auf, der gerade das Haus Fasolinos verließ. Juliette stutzte. Sie war ganz sicher, den Mann schon einmal gesehen zu haben, wußte im Moment aber nicht, wann und wo sie ihm begegnet war. Er hatte kurzes, dunkles Haar und eine Römernase und trug eine schwarze Tasche bei sich.
    Juliette drückte dem Fahrer zwei Scheine in die Hand und folgte dem Mann zu Fuß. Er strebte der Engelsbrücke zu, die für den Fahrverkehr gesperrt ist, überquerte den Tiber und wandte sich vor der Engelsburg nach links zur Via della Conciliazione.
    Juliette ließ den Mann nicht aus den Augen, folgte ihm in sicherem Abstand. Vor ihr tauchte im Dunst die Kuppel von St. Peter auf, ein erhabener Anblick, der selbst einen Atheisten ein bißchen fromm macht.
    Dieser eine Gedanke genügte. Juliette verlor den Mann aus den Augen. Er war plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Sie umrundete die Obelisken am Straßenrand, um festzustellen, ob der Mann die Verfolgung bemerkt und sich versteckt hatte, doch der Fremde blieb verschwunden.
    Juliettes Versuche, ein Taxi herbeizuwinken, blieben erfolglos. So ging sie schließlich über den Ponte Vittorio Emanuele zurück zu dem gleichnamigen Corso, wo sie sich mehr Erfolg versprach.
    Touristen, mit Kameras behängt, suchten am Tiberufer nach lohnenden Motiven. Bei diesem Anblick fiel ihr plötzlich ein, wer der Mann war, den sie verfolgt hatte: Es war der unbekannte Fotograf der ihre Vernissage besucht und den Brodka auf Hagens Fotos entdeckt hatte.
    Juliette stützte sich mit den Unterarmen auf die Mauer, die steil zum Tiber abfällt, und starrte nachdenklich in den trägen Fluß. Aber je länger sie über den Mann nachdachte, desto unsicherer wurde sie. Konnte es einen solchen Zufall geben? Vielleicht sah der Unbekannte dem Fotografen nur ähnlich.
    Von ihrem Hotelzimmer rief Juliette Norbert an und ließ sich die Nummer von dpa in München geben. Sie ließ sich mit Hagen verbinden und bat ihn, ihr per Expreß das Bild zu schicken, auf dem der mysteriöse Fotograf zu sehen war. Adresse: Hotel Excelsior, Via Véneto, Rom.
    Hagen versprach es.
    Juliette wollte Fasolino mit dem Foto konfrontieren und ihn fragen, was der Besuch dieses Mannes zu bedeuten habe.
    Das Foto von Hagen traf vierundzwanzig Stunden später ein und versetzte Juliette in helle Aufregung. Hatte sie bisher noch gezweifelt, ob der Mann, der Fasolinos Haus verlassen hatte, mit dem Fotografen auf Hagens Bild identisch war, so waren jetzt alle Unsicherheiten beseitigt: Er war es.
    Nun sah sie Fasolino in ganz anderem Licht. Der gute Alberto war wohl doch nicht der seriöse, wohlhabende Kunstsammler, für den sie ihn bisher gehalten hatte. Wohlhabend mochte er sein – fragte sich nur, wie er diesen Wohlstand erworben hatte.
    Um den Schatten zu erhellen, der Fasolino umgab, entschloß sich Juliette zu einem ungewöhnlichen Schritt. Von Brodka hatte sie gelernt, daß am Beginn jeder seriösen Recherche der Besuch im Archiv steht. Also begab sie sich zum ›Messaggero‹ in der Via del Tritone 152 – der einzigen Zeitung, die sie vom Namen her kannte – und fragte sich zum Archiv durch.
    Das Pressearchiv des ›Messaggero‹ lag versteckt im obersten Stockwerk eines Rückgebäudes. Doch so verborgen und unscheinbar es untergebracht war – es zählte zu den besten Zeitungsarchiven Italiens.
    Juliette stellte sich als Journalistin aus Deutschland vor und erklärte, sie recherchiere in Sachen Kunstfälscher-Mafia. Ob man ihr behilflich sein könne?
    Ein gutaussehender Archivar mit langem, glatt zurückgekämmtem Haar, das im Nacken zu einem Zopf zusammengebunden war, nahm sich Juliettes an, wies ihr einen Platz an einem altmodischen Bildschirm zu und erklärte, sie solle die Stichwörter ›falsario‹ oder ›falsificatore‹, hilfsweise ›arte‹ oder ›processo‹ eingeben.
    »Capisco ?«
    »Si.«
    Doch als Juliette allein vor dem Gerät saß, waren ihre Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt. Schließlich schien sie auf den jungen Archivar einen so hilflosen Eindruck zu machen, daß er sich neben sie setzte und den Computer mit verblüffender Geschwindigkeit zu füttern begann. Nach wenigen Sekunden erschien auf dem flimmernden Bildschirm der erste Text.
    Die Reportage stammte vom vergangenen Dezember und berichtete von einem Prozeß gegen einen Maler aus Neapel, der mit Vorliebe und besonderem Geschick

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