Purpurschatten
sie in Rom sei und ihn umgehend sprechen müsse.
Fasolino zeigte sich überrascht und versuchte Juliette auf den nächsten Tag zu vertrösten; aber mit der ihr eigenen Beharrlichkeit gelang es ihr, den Sammler zu überreden, seine Termine zu verschieben und sie zu empfangen.
Es war noch keine vier Monate her, seit sie Fasolino in Rom getroffen hatte. Er lebte mit seiner Frau – die seine Mutter hätte sein können und nur schwarze, sehr elegante Kleidung und hochhackige schwarze Schuhe trug – in einem palazzoähnlichen Haus mit hohen Fenstern und einem Säulenportal in der Via Banco Santo Spirito – ein Straßenname, der in keiner Stadt der Welt denkbar ist, heißt er doch frei übersetzt: Straße der Bank des Heiligen Geistes. Aber dem Heiligen Geist hatte die Kirche schon soviel zugemutet, daß es auf diese Geschmacklosigkeit auch nicht mehr ankam.
»Es tut mir sehr leid, Signora, daß Sie mit den Bildern in eine so mißliche Lage geraten sind«, wurde Juliette von Fasolino empfangen. Er tat sehr geschäftig, und seine Haltung wurde noch geschäftiger, als seine Frau kurz in den Salon trat und die fremde Besucherin kritisch musterte.
Der Salon war mit wuchtigem, antikem Mobiliar eingerichtet, das jedem Mitteleuropäer Bauchschmerzen bereitete. Von der Decke hingen zwei Lüster, die auch am Tag brannten, um den düsteren Raum einigermaßen zu erhellen. Die hohen Wände waren überladen mit Gemälden und Grafiken, daß man kaum noch einen Flecken von der kostbaren Tapete sah. Nur die zur Straßenseite gelegene Wand, die von vier nebeneinanderliegenden Fenstern unterbrochen wurde, war frei von Kunstgegenständen jeder Art.
Juliette sah die Schreckensgalerie – anders konnte man diesen Raum wirklich nicht bezeichnen – gottlob nicht zum erstenmal, und so hielten sich die Beklemmungen, die ihr erster Besuch in diesem Haus ausgelöst hatte, in Grenzen. Angesichts der kostbaren Gemälde fand sie sich jedoch in ihrer Meinung bestätigt, daß ein Mann, der über so bedeutsame Kunstschätze verfügte, kaum mit der Kunstfälscher-Mafia zusammenarbeiten konnte.
Voll Stolz und bereitwillig wie jeder Sammler zeigte Alberto Fasolino Juliette seine neueste Erwerbung, die Rötelzeichnung eines Ballettmädchens von Renoir, die Juliette gut und gern auf eine Million einschätzte. Mark versteht sich, nicht Lire.
Sie hatte sich schon bei ihrem ersten Geschäft gefragt, woher Fasolino das Geld für seine aufwendige Sammlerleidenschaft nahm; während eines langen und durchaus fachkundigen Gesprächs hatte sie dann erfahren, daß der Familienbesitz der Fasolinos in der Hauptsache aus Immobilien bestand – Häusern und Grundstücken in bester Lage.
Nachdem Juliette die Renoir-Zeichnung eingehend begutachtet und neidlos bewundert hatte, erklärte sie: »Signore Fasolino, ich bin hier, um die Fälschung der Grafiken von de Chirico und Jawlensky aufzuklären. Und ich möchte Sie bitten, mir dabei zu helfen.«
Fasolino reckte theatralisch beide Hände gen Himmel und rief im Tonfall eines schlechten Schauspielers: »Signora, wie soll ich Ihnen helfen, eine Fälschung aufzuklären, wenn ich Ihnen zweifelsfrei Originale verkauft habe! Fasolino ist doch kein Betrüger!«
»Das habe ich nie behauptet«, erwiderte Juliette. »Ich bin der festen Überzeugung, daß die Bilder, die ich hier, in diesem Zimmer, besichtigt habe, Originale waren. Aber ich weiß nicht, was danach mit den Bildern geschah. Am siebenundzwanzigsten November vorigen Jahres habe ich sie das erste Mal gesehen; am dreißigsten Januar wurde der Betrug entdeckt. Irgendwann während dieser Zeitspanne könnten die Originale gegen Kopien ausgetauscht worden sein.«
»Sie hätten sie gleich mitnehmen sollen«, bemerkte Fasolino.
Juliette blickte ihn verärgert an. »Im Flugzeug? Und ohne Versicherung? Kein ernst zu nehmender Kunsthändler käme auf eine solche Idee.«
»Ich weiß«, sagte Fasolino entschuldigend.
»Sie haben also die Kunstspedition …«
»Gioletti Fratelli.«
»… Gioletti Fratelli mit der Verpackung und dem Transport beauftragt.«
»Ja. Das ist eine renommierte Firma, Signora, sie arbeitet für alle römischen Museen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß beim Transport Ihrer Bilder irgend etwas passiert ist.«
»Der Weg nach Deutschland ist weit, Signore Fasolino.«
»Ja, gewiß, Signora. Das würde aber bedeuten, daß Sie den Empfang der Bilder bestätigt und unterschrieben haben, ohne daß Ihnen aufgefallen wäre, daß Ihnen
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