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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Grund dafür, daß viele eurer Plätze eine so martialische Vergangenheit haben.«
    Gar nicht so dumm, was der Junge da sagte, ging es Juliette durch den Kopf.
    »Deshalb müssen Sie aber nicht traurig sein, Giulietta«, fuhr Claudio fort. »Auch dieser wunderschöne Platz hat eine martialische Vergangenheit. In römischer Zeit war er Rennbahn und Circus für Gladiatoren. Später wuchsen Häuser und Kirchen aus seinen Grundmauern. Und vor vierhundert Jahren haben die Römer bei besonderen Anlässen die ganze Piazza knietief unter Wasser gesetzt, um sich darin zu vergnügen.«
    Der Ober servierte die fritierten Meeresfrüchte. Aber noch bevor sie zu essen begannen, schob Claudio Juliette eine Fotokopie über den Tisch. »Ich muß Ihnen ein Geständnis machen«, sagte er und machte plötzlich einen zerknirschten Eindruck. »Es ist mir nicht entgangen, wie enttäuscht Sie waren, daß ich Ihnen nicht weiterhelfen konnte. Dabei wußte ich, wonach Sie suchten. Ich wollte es nur nicht sofort herausrücken. Dann hätte ich Sie nie wieder gesehen. Hier. Das ist es wohl, was Sie suchen.«
    Juliette warf einen Blick auf das Papier, und ihre Miene wurde finster.
    »Das haben Sie bestimmt noch nicht gewußt, nicht wahr?« meinte Claudio. »Urteil im Leonardo-Skandal – Sieben Jahre Haft für Hehler Alberto F.«
    »Alberto Fasolino«, sagte Juliette leise vor sich hin. »Ich habe es geahnt.« Sie überflog den Zeitungsausschnitt mit raschem Blick. Zwischendurch stellte sie die Frage: »Wann war das?«
    »Der Bericht stammt vom Juni 1986. Er besagt, daß Alberto F. ein Ölgemälde von Leonardo da Vinci an einen amerikanischen Industriellen verkauft hat – für 35 Millionen Dollar. Das Bild war wie sämtliche Gemälde Leonardos unsigniert, aber Leinwand und Farben stimmten vom Alter her, und alle Experten waren sich einig, daß es sich um einen echten Leonardo handelte. Leider bat der Industriebaron einen befreundeten Röntgenologen, das Gemälde genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei stellte sich heraus, daß sich unter dem angeblichen Leonardo ein Gemälde von Rosario Bertucci befand, einem nicht sehr bedeutenden Maler. Der Bertucci war zwei Jahre zuvor aus einem Museum in Neapel gestohlen worden.«
    Juliette nickte scheinbar geistesabwesend.
    »Aber jetzt, Giulietta«, sagte Claudio und zeigte mit beiden Händen auf das vorzüglich angerichtete Essen, »greifen Sie zu, bevor alles kalt wird. Über den Leonardo-Skandal können wir uns später unterhalten.«
    Er hob sein Glas und prostete Juliette zu. »Auf die schönste Frau der Welt, mit der zu speisen ich die Ehre und das Vergnügen habe. Salute, Giulietta.«
    Obwohl ihr ganz und gar nicht danach zumute war, brachten Claudios Worte Juliette zum Lachen. Schon wie er ihren Namen aussprach – Giulietta – war die Romreise wert. Dazu die Atmosphäre der abendlichen Piazza, die milde Luft, der Wein – all das war dazu angetan, ihren Unmut, den Groll und die Angst für ein paar Stunden zu vergessen.
    Die Scampi und Calamari mundeten vorzüglich, und nach einem tiefen Schluck aus dem Glas sagte Juliette: »Auch ich muß Ihnen ein Geständnis machen, Claudio.«
    Der junge Mann blickte verschmitzt. Er hatte eine Ahnung, was jetzt kommen würde, und er sah sich nicht getäuscht.
    »Ich bin gar keine Journalistin«, erklärte Juliette, »ich habe Sie angelogen.«
    »Ich weiß«, bemerkte Claudio gelassen.
    »Sie wissen?«
    »Natürlich. Journalistinnen haben ein ganz anderes Auftreten. Jeden Tag kommen ein, zwei Dutzend zu mir. Die meisten führen sich auf wie Kleopatra, bevor sie sich die Schlange an den Busen setzte, oder wie Madame Curie nach der Entdeckung des Radiums.«
    »Jedenfalls … es ist mir peinlich, Claudio. Ich bin keine Journalistin, ich besitze eine Galerie.«
    »Aha. Na, Sie werden für Ihr Verhalten schon Ihre Gründe haben.«
    Juliette schaute um sich, ob jemand ihrem Gespräch lauschte. Der dicke Schriftsteller hatte sein Frühstück beendet und war gegangen.
    »Claudio«, sagte Juliette, »ich vertraue Ihnen. Ich bin in einer mißlichen Lage. Dieser Alberto F.«, sie zeigte mit dem Finger auf den Zeitungsausschnitt, »hat mir für eine halbe Million Mark Bilder verkauft. Keine Fälschungen, sondern hochklassige Originale. Einige Wochen hingen diese Bilder in meiner Galerie. Doch irgendwann wurden die Originale gegen Kopien ausgetauscht, ohne daß ich es bemerkt habe. Aber man glaubt mir nicht, und nun habe ich eine Klage wegen Betrugs am Hals.«
    Claudio

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