Purpurschatten
Guardi-Veduten gefälscht und dafür mehrere Millionen Lire kassiert hatte.
Mit Mausklicks holte der Archivar Artikel für Artikel auf den Bildschirm, doch kein einziger gab Juliette einen Hinweis auf Fasolino.
»Wie heißt der Mann, nach dem Sie suchen, Signora?« fragte der Archivar.
»Alberto Fasolino«, antwortete Juliette.
Der Archivar gab den Namen ein, tippte ›falsario‹ als Schlagwort ein und fügte ›processo‹ hinzu. – Fehlanzeige.
»Tut mir sehr leid, Signora«, meinte der Archivar, nachdem er sich in weiteren Querverbindungen versucht hatte. »Ich würde Ihnen wirklich gern helfen, Signora.«
Juliette lachte. Die Entschuldigung des Archivars und die Beteuerung, daß es ihm leid tat, klangen überaus glaubhaft. »Sie müssen sich nicht entschuldigen, Signore.«
»Ich heiße Claudio. Claudio Sotero.«
»Juliette Collin«, erwiderte sie freundlich.
»Giulietta«, wiederholte Claudio ihren Namen, als ließe er ihn auf der Zunge zergehen.
Lachend schüttelte sie den Kopf, wurde sogar ein bißchen verlegen – das einzige Gefühl, das eine Frau nie zeigen sollte. Und so sah Claudio sich durch diesen Anflug von Verlegenheit zu der Frage ermutigt: »Darf ich Sie heute abend zum Essen einladen, Giulietta?«
Juliette nahm den Blick vom Bildschirm und schaute Claudio ins Gesicht. Er sah verdammt gut aus, dieser junge Römer. Er war vielleicht zehn Jahre jünger als sie. In seinen dunklen Augen lag Selbstsicherheit, und sein Lächeln war schlichtweg umwerfend.
Als anständige Frau, dachte Juliette, müßtest du jetzt nein sagen. Aber sie wußte, dieser junge Mann wäre kein Römer, würde er dieses ›nein‹ nicht als ›ja, aber‹ auffassen und in endlosen Beteuerungen die Lauterkeit seiner Absichten erklären.
Warum soll ich es ihm so schwer machen, fragte sich Juliette. Er wird ja doch nicht lockerlassen. Außerdem kann der Junge dir vielleicht noch von Nutzen sein.
Also antwortete sie zurückhaltend: »Aber das kann ich doch nicht annehmen …«
Claudio schien sich seiner Sache sicher. Er überhörte Juliettes Zögerlichkeit und sagte: »Neunzehn Uhr. Wo darf ich Sie abholen?«
»Ich wohne im Hotel Excelsior.«
»Via Véneto!« Claudio pfiff leise durch die Zähne. »Vornehme Adresse, Signora. Ich hoffe, das Lokal, in das ich Sie ausführe, wird Ihren Ansprüchen genügen.«
»Da machen Sie sich mal keine Sorgen.« Juliette lachte. »Beim Essen sind meine Ansprüche eher bescheiden. Ich liebe die einfache italienische Küche, Pizza, Pasta und Meeresfrüchte.«
»Sehr gut. Ich hole Sie ab, Signora. Und was Ihre Recherchen betrifft, werde ich mir noch einmal Gedanken machen.«
Claudio brachte Juliette zum Lift und verabschiedete sich mit südländisch-feurigen Beteuerungen, wie sehr er sich auf den heutigen Abend freue. Er wartete, bis die Türen des Lift sich geschlossen hatten; dann ging er an dem Bildschirm zurück und tippte die Schlagworte ›scandalo‹ und ›Leonardo‹ ein.
Nach wenigen Sekunden erschien ein alter Zeitungsausschnitt auf dem Bildschirm:
›Urteil im Leonardo-Skandal – Sieben Jahre Haft für Hehler Alberto F.‹
Claudio Sotero schmunzelte.
Es war lange her, daß ein Rendezvous Juliette so sehr in Aufregung versetzt hatte. Vor dem Spiegel stellte sie sich die skeptische Frage, ob das neue Kostüm sie nicht zu alt machte und ob sie Claudio nicht zu damenhaft erschiene. Doch weil es vorteilhaft ihre Figur betonte, beließ sie es dabei. Außerdem stand ihr lindgrün wirklich gut.
Das Haar trug Juliette offen und schlicht nach hinten gekämmt, was sie jünger erscheinen ließ. Dazu wählte sie ein sehr dezentes Make-up. Dann wartete sie in ihrem Hotelzimmer auf den Anruf des Portiers.
Claudio Sotero kam pünktlich auf die Minute. Er überreichte Juliette eine rote Rose. Sie verspürte wieder diesen Anflug von Verlegenheit, der sie an ihre Mädchenzeit erinnerte.
»Sie kennen die Piazza Navona?« fragte Claudio, als sie zu dem Taxistand vor dem Hotel gingen.
»Nein«, antwortete Juliette, »ich kenne nur wenige Sehenswürdigkeiten Roms – die Peterskirche, das Kolosseum und das Forum Romanum, aber mehr auch nicht. Ich war immer nur geschäftlich hier und hatte nie Zeit zum Sightseeing.«
Da schlug Claudio lachend die Hände zusammen und rief: »Aber Giulietta! Sie müssen Rom besser kennenlernen. Rom ist die schönste Stadt der Welt! Wenn Sie wollen, werde ich Ihnen Mama Roma zeigen, so viel und so lange Sie wollen.«
Wem hätte ein solches Angebot
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