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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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ein überschäumender Quell süßer Freude gewesen. Jetzt war es ein verkümmertes, bitteres, wertloses Ding. Sie hoffte inbrünstig, er würde Thomas nicht erwähnen. Zwar hatte er Katherine freigesprochen – obwohl die gemeine Art, wie er es getan hatte, nicht wie eine Absolution schien –, doch Tara wußte nicht, ob das gleiche auch für sie galt. Vielleicht hing jetzt alles an ihr, und sie konnte sich nicht überwinden zu fragen.
    »Meinst du, es ist eine gute Idee, wenn du das trinkst?« Mit dem Kopf deutete sie auf die Bierdose auf dem Tisch.
    »Warum fragst du? Möchtest du es haben? Ist es nicht ein bißchen früh für dich, um damit anzufangen?«
    »Ich könnte dich dasselbe fragen.«
    »Ja, aber ich habe Krebs.«
    Tara seufzte innerlich. »Noch mehr Grund.« Sie nahm allen Mut zusammen und fragte: »Sollen wir zusammen eine Visualisierung machen?«
    »Was für ein Ding?«
    »Eine Visualisierung. Wie es beschrieben wird. Du weißt schon, wir stellen uns vor, daß du Güte und Reinheit und Licht und so in dir aufnimmst.« Angesichts seines bitter-amüsierten Blicks wurde ihre Stimme immer leiser.
    »Wie geht’s Thomas?« fragte er sie. Genau die Frage, die sie befürchtet hatte.
    »Ehm, ich hab mit ihm gesprochen, mit dem Heiraten, das wird wohl nichts, und ich hab auch nicht vergessen, was du gesagt hast – daß ich ihn verlassen soll –, ich denke daran, und ich –«
    Sie war überrascht, als er sie unterbrach und das wiederholte, was er schon zu Katherine gesagt hatte: »Mach dir keinen Kopf meinetwegen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Mir ist es scheißegal, was du machst. Bleib dein Leben lang bei ihm, wenn du willst.
    »Du willst nicht, daß ich ihn verlasse?«
    »Nein, Tara. Es interessiert mich wirklich nicht die Bohne. Heirate ihn oder laß es. Bleib bei ihm, laß dich weiterhin als Fußabtreter benutzen, ganz wie du willst. Es ist dein Leben, nicht meins, also kannst du damit machen, was du willst. Verschwende es, meinetwegen – so wie alle anderen auch.«
    »Ah, gut.«
    »Das Leben«, sagte Fintan bitter, »ist ein weggeworfenes Geschenk für die Lebenden.«
    »Ich bin also aus dem Schneider?« fragte Tara vorsichtig.
    »Frei, das zu tun, was du willst.«
    »Oh, das ist ja gut.« Sie lächelte gequält. »Ich wußte nicht, ob du deine Ansicht nur bei Katherine geändert hattest. Aber, ehm … danke.«
    Sie wartete darauf, daß die Last von ihr abrollte, daß sie sich frei, befreit, leicht fühlen würde. Alles war wieder in Ordnung. Sie konnte bei Thomas bleiben. Fintan hatte ihr seinen Segen gegeben, und sie konnte bei Thomas bleiben, so lange sie wollte.
    Yippie, rief sie innerlich. Sie konnte für immer bei Thomas bleiben. Sie konnte bei Thomas bleiben,
für immer
!
    Warum erschien ihr das plötzlich wie ein Alptraum, und nicht wie ein Traum, der wahr geworden war?

56
    J oe wartete, wie verabredet, im Schalterraum der U BahnStation Finsbury Park. Es liefen so viele Leute in Arsenal-Hemden herum, daß sie ihn einen Moment lang nicht sah. Dann entdeckte sie ihn, er lehnte an der Wand und hatte die Hände in den Jackentaschen. Er trug verblichene Jeans, dicke Arbeitsstiefel und eine große Lederjacke mit breiten Schultern. Eine Strähne seines dunklen Haars war ihm in die Stirn gefallen, und sein Blick war in die Ferne gerichtet. Als sie nervös auf ihn zuging, blieb sein Gesicht verschlossen, fast feindselig. Für einen Augenblick bedauerte sie, daß sie gekommen war.
    Sie stand praktisch schon vor ihm, als seine Miene sich aufhellte.
    »Katherine!« Er stieß sich von der Wand ab und richtete sich auf, und gleich war er viel größer als sie. »Ich habe Sie nicht erkannt.« Dann musterte er unverhohlen ihre Haare, ihre Jacke, die Jeans und die Stiefel und sagte noch einmal: »Ich habe Sie nicht erkannt.« Er schüttelte ungläubig den Kopf, stieß den Atem aus, schob die Strähne aus der Stirn und sagte: »Wow!«
    Sie wand sich vor Verlegenheit. »Ich sehe doch kaum anders aus als sonst.«
    »Schon, aber…« Sein Grinsen wurde breiter, seine Zustimmung war unübersehbar.
    Sie lächelte ihn kurz an, dann senkte sie den Blick, verlegen und glücklich. »Tut mir leid, daß ich zu spät bin«, sagte sie.
    Er sah auf seine Uhr und sog scharf die Luft ein. »Dreieinhalb Minuten, Katherine. Ich hatte schon angefangen, mir Sorgen zu machen.« Das stimmte. »Aber Sie sind da, das ist die Hauptsache. Hier entlang.« Er ging mit ihr zur Straße. Auf dem Weg zum Stadion berührte er sie nicht, er

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