Pusteblume
verstand.
»Richtig.« Was für eine Frau! »Schicksal.« Alle anderen Frauen in seiner Bekanntschaft, wo immer sie zu Hause waren, unterstützten Manchester United und wollten ihn auch dazu überreden. Er lächelte sie von der Seite her an. Jedesmal, wenn ihre Blicke sich trafen, hatte sie Schmetterlinge im Bauch.
»Und wieso gehen wir dann zu einem Arsenal-Spiel?« fragte sie.
»Als ich nach London kam, war mir gleich klar, daß ich nicht jedes Wochenende nach Devon fahren konnte. Und da ich gleich neben dem Arsenal-Stadion wohne und lieber irgendeinen Verein als keinen sehen wollte…«
»Ich verstehe«, sagte Katherine ernst. »Sie sind also kein richtiger Arsenal-Fan?«
»Inzwischen schon«, beeilte er sich, ihr zu versichern. »Aber damals hätte ich mich mit jedem eingelassen.« Er lächelte. »Aber damals war ich unerfahren, noch ein richtiger Junge, und wußte nicht, was Treue ist.«
»Und jetzt sind Sie reifer?« fragte Katherine und erwiderte sein Lächeln.
»Oh, um vieles.«
»Freut mich zu hören.«
»Und schließlich habe ich mich doch verliebt, obwohl es seine Zeit brauchte.« Nach einem hastigen Schlucken fügte er hinzu: »In Arsenal, natürlich.«
Vor ihnen lag das Spielfeld, riesig, grün-grün gestreift und noch leer.
»Es mußte bald anfangen«, sagte Joe. Völlig unbefangen nahm er ihr Handgelenk und sah auf ihre Uhr. Eine unerhebliche Geste, jeder hätte es tun können, aber es war intimer als alles andere, was bisher zwischen ihnen stattgefunden hatte. Ihr stockte der Atem, als seine kühlen Finger ihr Handgelenk hielten. Dann sagte er: »Danke«, und ließ sie wieder los. Es war vorbei. Sie brauchte einen Moment, bis sie wieder normal atmete.
Plötzlich schien die Spannung im Stadion noch zu steigen. »Es fängt an«, sagte Joe, als alle Zuschauer, wie aus einem Guß, unter Klatschen, Pfeifen und Grölen aufstanden. Anscheinend war das Arsenal-Team auf den Platz gekommen, aber Katherine konnte nur die Rücken und Köpfe der Zuschauer vor sich sehen. Aus den anschließend ertönenden Buh-Rufen und dem Pfeifkonzert folgerte sie, daß die Everton-Spieler auch draußen waren.
Alle setzten sich wieder. In dem Moment, als das Spiel angepfiffen wurde, verdichtete sich die Atmosphäre auf den Rängen, war wie elektrisiert vor Erwartung und Spannung. Die Aggressivität, die bis dahin gezügelt worden war, brach nun aus. Katherine spürte eine Erregung, die zum Glück nicht in Furcht umkippte.
»Die in Rot und Weiß sind unsere Jungs«, murmelte Joe ihr zu.
»Ich weiß!« Tara hatte sie mit ein paar grundlegenden Fakten vertraut gemacht.
»Gut gemacht«, lobte Joe. Es wurde immer besser.
Der Mann, der auf der anderen Seite neben Katherine saß, war ein besonders hartgesottener Fan, der eine persönliche Fehde gegen Everton zu führen schien. Immer wieder sprang er auf und brüllte: »Nun kommt schon, zeigt mal, was ihr könnt, wenn ihr glaubt, ihr seid hart genug.«
Als Everton eine Tormöglichkeit verpatzte, fing er aus vollem Halse an zu singen: »Sie ham verschossen, am Tor vorbeigeschossen…«
Dann stieß er Katherine den Ellbogen in die Rippen und sagte: »Komm, Mädel, sing mal mit! Diese Schlappschwänze…«
»Bin heiser«, murmelte sie. »Kann nicht singen.«
Joe sang zwar nicht mit, aber er war sehr konzentriert und sehr interessiert an dem Geschehen. Katherine dachte, das müsse sie eigentlich stören – warum hatte er sie mitgenommen, wenn er sie dann ignorierte? –, aber sie konnte sich nicht ärgern. Mit zusammengekniffenen Augen folgte er dem Ball. Während Joe das Spiel ansah, beobachtete Katherine ihn: seine ausgeprägten Backenknochen, seine zu Berührungen einladende Haut, sein Haar, das nicht so ordentlich gekämmt war wie im Büro. Immer wieder überzeugte er sich, daß sie neben ihm ihren Spaß hatte; er schien sich Sorgen zu machen, daß ihr kalt war, aber obwohl ihre Wangen gerötet waren, spürte sie die Kälte nicht.
Zwanzig Minuten nach Spielbeginn beugte er sich in seiner dicken Lederjacke zu ihr. »Alles in Ordnung?« fragte er zum soundsovielten Mal.
»Ja.« Sie lächelte ihn an.
»Ich kann nichts hören«, sagte er und kam mit seinem Gesicht näher zu ihr. »Rücken Sie dichter heran.«
Sie dachte, es läge an dem Gesang um sie herum, und sagte ganz nah an seinem Gesicht: »Ich sagte, ja.«
»Ich kann Sie immer noch nicht hören«, sagte er wieder, und seine Augen funkelten dunkel, »noch näher.«
Es war ihr peinlich, ihm so auf die Pelle zu
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