Pusteblume
ist endlich abgeschlossen.«
»Wird auch Zeit«, sagte Katherine. »Wie viele untaugliche Lippenstifte hast du wohl schon gekauft?«
»Viel zu viele«, sagte Tara. »Und alle versprechen, daß die Lippen die Farbe annehmen und der Stift kußecht ist, und dann ist doch das Glas verschmiert oder die Gabel, wie bei jedem anderen Lippenstift auch. Man könnte weinen!«
Als nächstes kam Liv. Sie trug einen Mantel von Agnès b.. der den Neid aller Frauen erweckte. Sie legte großen Wert auf Label, wie es sich für jemanden, der in der Welt des Designs zu Hause war, gehörte, auch wenn sie Innenarchitektin war. Liv war Schwedin – groß, mit einem kräftigen Knochenbau, strahlendweißen Zähnen und hüftlangen, glatten, weißblonden Haaren. Männer dachten oft, daß sie sie aus einem Pornofilm kannten.
In Taras und Katherines Leben trat sie vor fünf Jahren, als Fintan zu Sandro zog. Sie suchten eine neue Mitbewohnerin, aber niemand war an dem winzigen Zimmer interessiert. Und daß die Schwedin es nehmen würde, erschien ihnen auch nicht sehr wahrscheinlich, sie war einfach zu groß. Doch als Liv erfuhr, daß die beiden aus Irland und, noch besser, vom Land kamen, leuchteten ihre blauen Augen. Unverzüglich holte sie das Geld für die Kaution aus ihrer Handtasche und gab es ihnen.
»Aber du hast noch gar nicht gefragt, ob wir eine Waschmaschine haben«, sagte Katherine überrascht.
»Das ist ja nicht so wichtig«, sagte Tara, die auch ganz erschrocken war, »aber du weißt doch gar nicht, wie weit es bis zur Spirituosenhandlung ist.«
»Kein Problem«, sagte Liv mit ihrem leichten Akzent. »Solche Dinge sind nicht so wichtig.«
»Wenn du meinst…« Tara überlegte schon, ob Liv schwedische Freunde in London hatte – große, blonde, braungebrannte Männer, die sie ihnen vorstellen würde.
Aber wenige Tage, nachdem Liv eingezogen war, wurde ihnen der Grund für Livs Begeisterung klar. Zu Taras und Katherines Bestürzung fragte Liv sie, ob sie mit ihnen zur Messe kommen oder den Rosenkranz beten könne. Es stellte sich heraus, daß Liv auf Sinnsuche war. Mit der Psychotherapie war sie vorübergehend auf Grund gelaufen und setzte jetzt alle ihre Hoffnungen auf geistige Erleuchtung und darauf, daß der katholische Glaube der beiden jungen Frauen auf sie übergehen würde.
»Es tut mir leid, daß wir dich enttäuschen müssen«, erklärte Katherine sanft, »aber wir sind abtrünnige Katholiken.«
»Abtrünnig!« rief Tara. »Wovon redest du?«
Katherine sah Tara verdutzt an. Ihr war nicht aufgefallen, daß ihre Freundin in letzter Zeit zum Glauben zurückgefunden hatte.
»Abtrünnig ist nicht stark genug«, erklärte Tara schließlich. »Eher abgefallene Katholiken.«
Schon bald überwand Liv ihre Enttäuschung. Und obwohl sie unverhältnismäßig viel Zeit damit zubrachte, mit dem Zeitungshändler, einem Sikh, über die Frage der Wiedergeburt zu diskutieren, war sie in jeder anderen Hinsicht normal. Sie hatte Liebhaber und gelegentlich einen Kater, sie bekam Drohbriefe von ihrer Bank und hatte einen Kleiderschrank voller Kleider, die sie im Ausverkauf billig erstand und dann nie anzog.
Dreieinhalb Jahre lebte sie mit Tara und Katherine zusammen, bis sie beschloß, ihrer Existenzangst zu Leibe zu rücken, indem sie sich eine Wohnung kaufte. Aber in den ersten sechs Monaten als Wohnungseigentümerin kam sie jeden Abend zu Tara und Katherine und weinte sich die Augen aus, weil das Leben allein so einsam war. Wahrscheinlich würde sie das immer noch tun, wenn Katherine und Tara nicht die Wohnung aufgegeben hätten und jede ihrer eigenen Wege gegangen wäre.
2
W ir sind also nur zu viert?« rief Fintan überrascht. Tara nickte. »Ich bin zu labil für ein wildes Fest. Ich brauche den Trost von ein paar guten Freunden an diesem traurigen Tag.«
»Eigentlich wollte ich damit sagen: Wo ist Thomas?« Ein Glitzern stand in Fintans Augen.
»Ach, er wollte es sich zu Hause gemütlich machen«, sagte Tara ein bißchen verlegen.
Es erhob sich lautstarker Protest. »Aber es ist dein Geburtstag! Er ist dein Freund!
»Er ist nie dabei, wenn wir uns treffen«, beschwerte sich Fintan. »An deinem Geburtstag sollte der alte Miesepeter sich mal aufraffen.«
»Ich finde das nicht so schlimm«, sagte Tara, »und morgen geht er mit mir ins Kino. Laß ihn doch. Ich gebe ja zu, daß er nicht der umgänglichste Mensch unter der Sonne ist, aber er ist nicht gemein, er hat nur seine Schwierigkeiten –«
»Ich weiß, ich weiß«,
Weitere Kostenlose Bücher