Pusteblume
einließen, warum nicht er?
»Wie geht es dir?« fragte Tara ihn. »Sieht aus, als hättest du abgenommen, du Glücklicher. Was macht dein Beriberi?«
»Hat mich schwer im Griff und macht mir zu schaffen. Jetzt habe ich’s im Hals«, seufzte Fintan. »Was macht dein Typhus?«
»Den habe ich überwunden«, sagte Tara. »Zwei Tage im Bett, und er war weg. Gestern hatte ich einen Anflug von Tollwut, aber das ist jetzt vorbei.«
»Solche Witze sind einfach nur übel.« Katherine schüttelte angewidert den Kopf.
»Kann ich was dafür, wenn ich mich immer krank fühle?« Fintan war empört.
»Und ob!« sagte Katherine unbeeindruckt. »Wenn du nicht jeden Abend ausgehen und dich besaufen würdest, ginge es dir morgens um vieles besser.«
»Du wirst dir schwere Vorwürfe machen, wenn sich herausstellt, daß ich Aids habe«, brummelte Fintan finster.
Katherine wich die Farbe aus dem Gesicht. Sogar Tara war zusammengezuckt. »Darüber solltest du nicht scherzen.«
»Entschuldigung«, sagte Fintan bedrückt. »Die blanke Angst sitzt einem im Nacken, und dann sagt man dumme Sachen. Gestern abend habe ich einen früheren Freund von Sandro getroffen, der sieht aus wie einer aus dem KZ. Die Liste wird einfach immer länger, und das macht einem ganz schön Angst…«
»Bitte nicht«, sagte Tara leise.
»Aber du brauchst doch keine Angst zu haben«, warf Katherine ein. »Du nimmst Kondome, und außerdem hast du eine feste Beziehung. Wie geht es denn dem italienischen Pony?«
»So ein schöner, schöner Knabe!« sagte Fintan mit dröhnender Stimme, so daß die anderen Gäste sich umsahen und befriedigt nickten: Es war tatsächlich ein berühmter Schauspieler, wie sie von Anfang an vermutet hatten.
»Sandro ist einfach wunderbar«, fuhr Fintan mit seiner normalen Stimme fort. »Es könnte nicht besser sein. Er schickt tausend Grüße und diese Karte…« – er reichte Tara die Karte – »und läßt sich entschuldigen, denn während wir hier sitzen, tanzt er in einem Ballkleid aus jadegrünem Taft zu der Musik von ›Show Me The Way to Amarillo‹. Er ist nämlich Brautjungfer bei Peters und Erics Hochzeit, müßt ihr wissen.«
Fintan und Sandro waren schon seit vielen Jahren ein Paar. Sandro war Italiener, aber er war so klein, daß man ihn nicht als Hengst bezeichnen konnte. Deswegen nannten sie ihn Pony. Er war Architekt und lebte mit Fintan in einer prachtvollen Wohnung in Notting Hill.
»Kannst du mir mal was sagen?« fragte Tara vorsichtig. »Gibt es zwischen dir und dem Pony auch mal Streit?«
»Streit!« Fintan war entsetzt. »Ob es Streit gibt! Wie kannst du so etwas fragen! Wir sind verliebt!«
»Entschuldigung«, murmelte Tara.
»Wir streiten die ganze Zeit«, sagte Fintan dann, »und liegen uns dauernd in den Haaren, von morgens bis abends.«
»Ihr seid also verrückt nach einander«, sagte Tara neidvoll.
»Ich sag es mal so«, gab Fintan zurück, »der Typ, der Sandro gemacht hat, war an dem Tag in Höchstform. Warum fragst du, ob es Streit gibt?«
»Ach, nur so.« Tara reichte ihm ein kleines Päckchen. »Das ist dein Geschenk für mich. Du schuldest mir zwanzig Pfund.«
Fintan nahm das Päckchen, bewunderte die Verpackung und gab es Tara zurück. »Herzlichen Glückwunsch, Süße! Welche Kreditkarten nimmst du?«
Tara und Katherine waren mit Fintan übereingekommen, daß jeder seine eigenen Geburtstags-und Weihnachtsgeschenke kaufte. Entstanden war die Regelung, nachdem Tara und Katherine sich quasi verschuldet hatten, um Fintan zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag eine gebundene Ausgabe von Oscar Wildes Gesammelten Werken zu kaufen. Er nahm ihr Geschenk mit überschwenglichem Dank, aber einem merkwürdig ausdruckslosen Gesicht entgegen. Und ein paar Stunden später, als die Party in vollem Gange war, fand man ihn, schluchzend und wie ein Fötus zusammengerollt, auf dem Küchenfußboden, inmitten von Chipskrümeln und leeren Getränkedosen. »Bücher«, heulte er, »was soll ich denn mit Büchern? Ich weiß, ich bin undankbar, aber ich dachte, ihr schenkt mir ein TShirt aus Gummi von Galliano!«
Nach diesem Abend trafen sie ihre Vereinbarung, die immer noch galt.
»Was habe ich dir geschenkt?« fragte Fintan.
Tara riß das Papier auf und zeigte den Lippenstift. »Aber es ist kein normaler Lippenstift«, sagte sie aufgeregt. »Dieser hier ist nämlich wirklich kußfest. Das Mädchen in dem Geschäft hat gesagt, er würde sogar einen nuklearen Angriff überstehen. Ich glaube, meine lange Suche
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