Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
Vergeblich versuchte er, sich irgendwo festzuhalten …
     
    »Junge!«
    Teppic sah auf. Neben ihm stand eine Gestalt, die eine purpurne Schärpe über ihrem schwarzen Umhang trug – der erste echte, authentische Assassine, dem er begegnete. Abgesehen von Vyrt. Der Mann wirkte recht freundlich und gutmütig. Man konnte sich vorstellen, wie er in einem Metzgerladen Würstchen rollte.
    »Meinen Sie mich?« fragte Teppic.
    »Du wirst aufstehen, wenn du mit einem Meister sprichst«, sagte das rosafarbene Gesicht.
    »Werde ich das?« Teppic überlegte fasziniert, wie sich so etwas bewerkstelligen ließ. Bisher hatte Disziplin nur eine untergeordnete Rolle in seinem Leben gespielt. Die meisten Lehrer reagierten so bestürzt auf den Anblick eines Königs, der auf irgendwelchen Schränken hockte und leise krächzte, daß sie den Unterricht möglichst rasch beendeten und sich dann in ihrem Zimmer einschlossen.
    »Werde ich das, Herr«, sagte der Assassine und sah auf eine Liste herab.
    »Wie heißt du, Junge?« fügte er hinzu.
    »Ich bin Prinz Pteppic aus dem Alten Königreich, dem Königreich der Sonne«, erwiderte Teppic. »Vermutlich ist Ihnen die Etikette unbekannt, und daher möchte ich Sie auf folgendes hinweisen. Es ist nicht nötig, daß Sie mich Herr nennen. Es ist nötig, daß Sie sich verbeugen und die Stirn an den Boden pressen, wenn Sie wünschen, irgendeine Bemerkung an mich zu richten.«
    »Pateppic, wie?« fragte der Meister.
    »Nein, Pteppic.«
    »Ah, Teppic«, sagte der Assassine, hakte einen Namen ab und bedachte den Jungen mit einem großzügigen Lächeln.
    »Nun, Euer Majestät«, fuhr er fort. »Ich bin Leckerschmeck Nivor, dein Hausmeister. Du gehörst jetzt zum Viper-Haus. Meines Wissens gibt es auf der Scheibenwelt mindestens elf Königreiche der Sonne. Bis zum Ende der Woche wirst du einen kurzen Aufsatz schreiben, der genaue Informationen über die betreffenden Reiche enthält: geographische Besonderheiten, politische Struktur, Hauptstadt beziehungsweise wichtigster Regierungssitz. Darüber hinaus wirst du eine Route nennen, die ins Schlafzimmer eines Staatsoberhauptes deiner Wahl führt. Nun, in einem Punkt kannst du ganz sicher sein: Es gibt nur ein Viper-Haus. Guten Morgen, Junge.«
    Der Meister ging fort und wandte sich an einen anderen Schüler.
    »Eigentlich ist er kein übler Kerl«, erklang eine Stimme hinter Teppic. »Die benötigten Angaben findest du in der Bibliothek. Ich zeige sie dir, wenn du möchtest. Übrigens: Ich heiße Schelter.«
    Teppic drehte sich um. Die Stimme gehörte einem Jungen in seinem Alter. Schelter trug ebenfalls einen schwarzen Umhang – Einfaches Schwarz für die Erste Studienphase –, und das Ding erweckte den Eindruck, als sei es hier und dort am Körper festgenagelt. Der junge Bursche streckte die Hand aus, und Teppic blickte höflich darauf herab.
    »Ja?« fragte er.
    »Wie heißt du, Kumpel?«
    Teppic straffte die Schultern. Er hatte die Respektlosigkeit allmählich satt. »Kumpel? Wisse hiermit, daß Pharaonenblut in meinen Adern fließt!«
    Schelter neigte unbeeindruckt den Kopf zur Seite, und ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen.
    »Möchtest du, daß es dort bleibt?« erwiderte er.
     
    Einige in weiße Kittel gekleidete junge Männer traten aus der nahen Bäckerei, um der Ofenhitze zu entkommen und die vergleichsweise kühle Nachtluft zu genießen. Ein Zigarettenstummel wurde von Hand zu Hand gereicht, und leise Stimmen wehten durch die schmale Gasse. Teppic hing weit oben in der Dunkelheit. Seine Hände hatten überraschenden Halt an einem Fensterbrett gefunden, und die Füße tasteten nach irgendeinem Riß im Mauerwerk.
    Immer mit der Ruhe, dachte er. Deine Lage ist bestimmt nicht so ernst, wie es zunächst den Anschein haben mag. Es fiel ihm schwer, daran zu glauben. Du bist schon mit ganz anderen Dingen fertig geworden. Denk nur an den Palast des Patriziers im letzten Winter. Die Dachrinnen liefen über, und eine dicke Eisschicht bedeckte die Wände. Hier beträgt der Schwierigkeitsgrad 3 oder höchstens 3,2. Zusammen mit Schelter hast du solche Mauern erklettert, anstatt durch die Straßen zu schlendern. Es ist nur eine Frage der Perspektive.
    Perspektive. Teppic blickte in die Tiefe. Zwanzig Meter unter ihm flirrte Hitze übers Kopfsteinpflaster. Verdammt und zugenäht! Reiß dich endlich zusammen. Halt dich fest. Und laß dir was einfallen. Der rechte Fuß fand brüchigen Mörtel, und die Zehen bohrten sich sofort hinein.

Weitere Kostenlose Bücher