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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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muffig riechende Kammern und gelangte schließlich an eine Treppe. Die Entfernung zur Falltür betrug jetzt etwa dreißig Meter, und unterwegs hatte Teppic nirgends einen Kamin gesehen. Mit anderen Worten: In diesem Bereich gab es keine Schornsteine auf dem Dach, die ihn daran hinderten, den Unbekannten anzuvisieren.
    Er ging in die Hocke und holte seine Messerrolle hervor, die einen rechteckigen Schatten in der Finsternis bildete. Nach kurzem Nachdenken wählte er einen Wurfdolch vom Typ Nummer Fünf. Nur wenige Assassinen verstanden es, richtig damit umzugehen, und Teppic gehörte zu ihnen.
    Kurz darauf hob er vorsichtig den Kopf und spähte übers Dach. Der rechte Arm neigte sich nach hinten, bereit dazu, in einem ebenso komplexen wie schnellen Bewegungsablauf jene Kraft zu entfalten, die notwendig war, um mehrere Unzen Stahl durch die Nacht zu schleudern.
    Mericet saß an der Falltür und sah auf sein Klemmbrett herab. Teppic bemerkte einen kleinen, hölzernen Steg, der einige Meter entfernt an der Brüstung lehnte – der Grund für seinen Sturz in die Tiefe.
    Er zweifelte nicht daran, völlig lautlos gewesen zu sein. Wahrscheinlich hörte der Prüfer das Geräusch seines verblüfften Blickes.
    Mericet hob den kahlen Kopf.
    »In Ordnung«, sagte er, »du kannst deinen Weg jetzt fortsetzen.«
    Teppic spürte, wie ihm kalter Schweiß ausbrach. Er betrachtete den Steg, starrte den Prüfer an und stellte plötzlich fest, daß er noch immer ein Messer in der Hand hielt.
    »Ja, Herr«, sagte er. Was angesichts der Umstände nicht zu genügen schien. »Danke, Herr«, fügte er hinzu.
     
    Die erste Nacht im Schlafsaal prägte sich fest in Teppics Gedächtnis ein. Das Zimmer war groß genug, um alle achtzehn Jungen des Viper-Hauses zu beherbergen – und so zugig, daß man ständig den Eindruck gewann, sich im Freien zu befinden. Der Architekt schien großen Wert darauf gelegt zu haben, alles möglichst unbequem zu gestalten. Das Ergebnis bestand in einem Raum, in dem es noch kälter sein konnte als draußen.
    »Ich dachte, wir bekämen Einzelzimmer«, sagte Teppic.
    Schelter hatte sich den besten Platz im ganzen Kühlschrank gesichert und nickte gönnerhaft.
    »Später«, erwiderte er, legte sich wieder hin und verzog das Gesicht. »Allem Anschein nach hat man bei diesen Betten spitze Federn verwendet.«
    Teppic schwieg. Sein Schlafplatz bot weitaus mehr Komfort als der im Palast von Djelibeby. In dieser Hinsicht zeigte der Pharao typische adlige Großzügigkeit: Bei seinem Sohn tolerierte er Wohnbedingungen, die selbst eine mittellose Sandfliege abgelehnt hätte.
    Teppic streckte sich auf der dünnen Matratze aus und begann mit einer eingehenden Analyse der jüngsten Ereignisse. Er gehörte nun zur Gilde. Schon seit sieben Stunden war er Schüler der Assassinen, aber man hatte ihm noch nicht gestattet, ein Messer zur Hand zu nehmen. Nun, morgen begann ein neuer Tag …
    Schelter drehte den Kopf.
    »Wo steckt Arthur?« fragte er.
    Teppic sah zum Bett auf der anderen Seite. Ein herzergreifend kleiner Beutel mit Kleidung lag genau in der Mitte, aber von seinem Besitzer fehlte jede Spur.
    »Glaubst du, er ist weggelaufen?« erkundigte sich Teppic und ließ den Blick durch die Schatten schweifen.
    »Möglich wär’s«, antwortete Schelter. »So was geschieht recht häufig. Muttersöhnchen, die zum ersten Mal auf sich allein gestellt sind …«
    Die Tür am Ende des Saals öffnete sich langsam, und Arthur kam rückwärts herein, zerrte an der Leine eines großen und sehr sturen Ziegenbocks. Das Tier widersetzte sich jedem einzelnen Schritt, und dadurch kam der Junge nur langsam voran.
    Die übrigen Schüler beobachteten stumm, wie Arthur den Ziegenbock an seinem Bett festband und folgende Dinge aus dem Beutel holte: mehrere große schwarze Kerzen, ein Kräuterbündel, einen Strick, an dem einige kleine Totenschädel baumelten, und ein Stück Kreide. Das glänzende, rosarote Gesicht zeigte energische Entschlossenheit, und die Botschaft der funkelnden Augen lautete: Glotzt nicht so blöd. Ich weiß genau, was ich tue. Der Knabe malte einen doppelten Kreis um sein Bett, ließ sich dann auf die Knie sinken und füllte den Platz zwischen ihnen mit den okkultesten Symbolen, die Teppic jemals gesehen hatte. Arthur rückte sie hin und her, nickte zufrieden, plazierte die schwarzen Kerzen an strategischen Punkten und entzündete sie. Ein leises Zischen erklang, und Teppic nahm einen seltsamen Geruch wahr, der höchst unangenehme

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