Pyramiden
dunkle Ufer.
Das Heer der Pharaonen von Djelibeby marschierte.
Sie schlurften – aber bemerkenswert schnell. Ganze Bataillone zogen durch die Nekropolis. Gerns Hammer war nicht mehr erforderlich.
»Es liegt an der Marinade, mit der man uns konserviert«, sagte Teppicymon XXVII. und beobachtete einige Vorfahren, die sich ganz allein aus ihren Pyramiden befreiten. Siegel splitterten; dicke Steinplatten barsten auseinander. »Sie gibt uns Kraft. Ja, dadurch wird man richtig zäh.«
Einige der älteren Ahnen gerieten so sehr in Begeisterung, daß sie die Pyramiden selbst attackierten und es sogar schafften, schwere Granitblöcke zu bewegen, die höher waren als sie selbst. Teppicymon konnte es ihnen nicht verdenken. Wie schrecklich, tot zu sein und auch zu wissen, daß man tot ist. Wie schrecklich, als Toter in pechrabenschwarzer Finsternis zu leben.
Ich werde nie zulassen, daß man mich in einem solchen Ding bestattet, schwor sich der Pharao.
Schließlich erreichte die Flut aus Mumien eine weitere Pyramide. Sie war kleiner als die anderen, niedrig und dunkel, halb im Sand verborgen. Die Mauern bestanden nicht aus sorgfältig behauenen Steinen, sondern aus unregelmäßig geformten Felsblöcken. Ganz offensichtlich stammte dieses Bauwerk aus einer präpyramidialen Epoche – es stellte kaum mehr dar als einen Haufen aus aufgeschichtetem Geröll.
Der poröse Zugang wies die Hieroglyphen des Ur-Königreichs auf: KHUFT SCHUF MICH. DER ERSTE.
Mehrere Ahnen starrten auf die Inschrift.
»Meine Güte«, sagte Teppicymon. »Hier gehen wir vielleicht zu weit.«
»Der Erste«, flüsterte Dil. »Der Erste des Königreichs. Vor ihm gab es hier nur Nilpferde und Krokodile. Aus dem Innern dieser Pyramide blicken siebzig Jahrhunderte auf uns herab. Älter als alles andere …«
»Ja, ja, schon gut«, sagte Teppicymon. »Wir brauchen es nicht gleich zu übertreiben. Immerhin war er ein Mensch wie wir.«
»›Und siehe, Khuft der Kameltreiber sah das Tal …‹«, begann Dil.
»Nach siebentausend Jahren habet er gewiß Lust, es noch einmal zu sehen«, sagte Ashk-ur-men-tep.
»Wie dem auch …« Teppicymon räusperte sich. »Vielleicht sollten wir ihn besser …«
»Alle Toten sindet gleich«, sagte Ashk-ur-men-tep. »Du, junger Mann. Rufet ihn heraus.«
»Wer, ich?« fragte Gern. »Aber er war der Er …«
»Ja, das ist uns inzwischen klar«, warf Teppicymon ein. »An die Arbeit. Die Ahnen warten ungeduldig. Und das gilt sicher auch für ihn.«
Gern rollte mit den Augen und holte aus. Als er das Siegel zerschmettern wollte, sprang Dil vor, und Gern begann mit einem seltsamen Tanz, um zu vermeiden, den Kopf seines Meisters zu treffen.
»Der Zugang steht offen!« platzte es aus Dil heraus. »Seht nur! Die Steinplatte schwang gerade zur Seite!«
»Soll das heißen, der Erste isset nicht zu Hause?«
Teppicymon trat vor und griff nach der Tür. Sie ließ sich ganz leicht bewegen. Der Pharao betrachtete den Boden. Die Pyramide mochte ungeheuer alt und halb verfallen sein, aber irgend jemand hatte sich Mühe gegeben, den Pfad in Ordnung zu halten. Die Pflastersteine erweckten den Eindruck, als seien sie im Verlauf der Jahrtausende von vielen Füßen glattgeschmirgelt worden.
Von Pyramiden erwartete man natürlich etwas anderes. Normalerweise stellten sie das Ende der Lebens-Reise dar, und nicht nur eine Zwischenstation. Anders ausgedrückt: Sobald man sich in einer Pyramide befand, sollte man in ihr bleiben.
Die Mumien beobachteten den offenen Zugang und knarrten überrascht. Ein besonders alter Ahne, der sich kaum mehr zusammenhalten konnte, gab ein seltsames Geräusch von sich. Man denke an Termiten, die sich langsam durch einen vermoderten Baumstamm fressen – so hörte es sich an.
»Was hat er gesagt?« fragte Teppicymon.
»Er meint, es isset unheimlich«, übersetzte Ashk-ur-men-tep.
Teppicymon nickte. »Ich sehe mir die Sache aus der Nähe an. Die beiden Lebenden begleiten mich.«
Dils Lippen zitterten. Er blinzelte. Er holte tief Luft.
»Ach, komm schon, Mann!« zischte Teppicymon und schob die Steinplatte ganz beiseite. »Nehmt euch ein Beispiel an mir! Ich habe keine Angst. Zeigt ein bißchen Rückgrat, so wie die anderen!«
»Wir brauchen, äh, Licht«, wandte Dil ein.
Einige in der Nähe stehende Mumien wichen hastig zurück, als Gern eine Zunderbüchse hervorholte.
»Wir benötigen etwas Brennbares«, fügte Dil hinzu. Die mit sehr trockenen Binden umwickelten Leichen wichen noch weiter zurück
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