Pyramiden
zweifelte er nicht daran, daß er bald handeln würde, so wie seit siebzig Jahrhunderten.
Das Empfinden erinnerte ihn an die sakrale Eingebung in Ankh-Morpork. Aber damals hatte er nur einen flüchtigen Eindruck bekommen, der jetzt von der Kraft des Glaubens verdichtet wurde, bis er klare Konturen gewann, bis er ihn energisch festhalten konnte.
Teppic vernahm ein leises Rascheln und senkte den Kopf. Neben seinen Füßen wuchs Gras grün und saftig aus dem trockenen Sand.
Donnerwetter, dachte er. Ich bin wirklich begabt.
Und: Hoffentlich bringe ich mich dadurch nicht in Schwierigkeiten. Diese Sache könnte peinlich werden.
Er bahnte sich einen Weg durch die Menge, bis er zum Ufer gelangte, blieb dort stehen und stellte geistesabwesend fest, daß um ihn herum Korn gedieh. Die Bürger bemerkten es ebenfalls, und einige von ihnen sanken auf die Knie. Die anderen folgten ihrem Beispiel, und Demut breitete sich wellenförmig aus.
Dies entsprach nie meiner Absicht! fuhr es Teppic durch den Sinn. Ich wollte nur, daß mein Volk glücklich ist, daß es endlich die Vorzüge sanitärer Anlagen kennenlernt. Ich wollte nur etwas gegen heruntergekommene Stadtzentren unternehmen. Sanierung nennt man so was. Ich wollte nur die Freundschaft der Djelibeber gewinnen und sie fragen, ob sie mit ihrem Leben zufrieden sind. Ich hielt Schulen für eine gute Idee – damit die Leute nicht sofort auf die Knie fallen, wenn sie jemanden mit grünen Füßen sehen.
Und ich wollte die Architektur ein wenig verändern …
Der Himmel verdunkelte sich wie erkaltender Stahl, und die Große Pyramide schien noch größer zu werden. Wenn man etwas bauen möchte, das Masse verkörpert, so sollte man sich für eine Pyramide entscheiden. Vor ihr standen einige Gestalten, halb verborgen in der Finsternis.
Teppic wandte sich der frommen Menge hinter ihm zu und richtete seine Aufmerksamkeit auf jemanden, der die Uniform der Palastwache trug.
»He, du da, steh auf!« verlangte er.
Der Mann bedachte ihn mit einem entsetzten Blick und erhob sich widerstrebend.
»Was ist hier los?«
»O Pharao, Herrscher des Himmels, Gebieter …«
»Ich glaube, dafür haben wir keine Zeit«, sagte Teppic scharf. »Ich weiß, wer ich bin. Ich möchte wissen, was hier geschieht.«
»O Pharao, wir haben gesehen, wie die Toten ihre Grabstätten verließen! Die Priester überquerten den Fluß, um mit ihnen zu reden.«
»Die Toten wandern umher?«
»Ja, o Pharao.«
»Sprechen wir hier von gestorbenen Menschen?«
»Ja, o Pharao.«
»Oh. Nun, besten Dank. Ihre Mitteilung ist zwar nicht sonderlich informativ, dafür aber ausreichend knapp. Gibt es hier irgendwelche Boote?«
»Die Priester ließen keine zurück, o Pharao.«
Teppic nickte. Normalerweise dümpelten Dutzende von Booten neben den Kais, aber jetzt waren die Anlegestellen völlig leer. Als er aufs Wasser starrte, wuchsen dem Fluß plötzlich zwei Augen und eine lange Schnauze – ein deutlicher Hinweis darauf, daß man besser nicht versuchen sollte, zum anderen Ufer zu schwimmen. Ebensogut hätte man sich bemühen können, Nebel an die Wand zu nageln.
Der junge Pharao ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Alle sahen ihn erwartungsvoll an, offensichtlich davon überzeugt, daß er genau wußte, was es nun zu unternehmen galt.
Er wandte sich wieder dem Fluß zu, hob die Arme, preßte sie aneinander und breitete sie langsam aus.
Irgend etwas gurgelte und schäumte, und das Wasser des Djel teilte sich vor ihm. Die Menge seufzte beeindruckt, war jedoch nicht annähernd so überrascht wie einige Krokodile, die sich plötzlich drei Meter über dem ehemaligen Grund des Flusses wiederfanden, in leerer Luft.
Teppic eilte an der Uferböschung herab, lief über den Schlick und wich peitschenden Schuppenschwänzen aus.
Rechts und links ragten zwei lehmbraune Mauern aus gestautem Wasser auf, und Teppic lief durch eine feuchte, dunkle Gasse. Hier und dort lagen Knochen, alte Schilde, gesplitterte Speere und Reste von Booten. Geschickt sprang der junge Pharao über den Müll der Jahrhunderte hinweg.
Vor ihm schwamm ein großer Krokodilbulle verträumt aus einer Wasserwand und trachtete vergeblich danach, sich an Luft festzuklammern, die bekanntermaßen nur wenig Halt bietet. Teppic trat ihm ordentlich auf die Schnauze und lief weiter.
Hinter ihm reagierten einige der nicht ganz so begriffsstutzigen Bürger. Sie sahen die verwirrten und benommenen Reptile im Schlamm und begannen damit, nach geeigneten Steinen
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