Pyramiden
und murmelten etwas.
»Hier drin gibt’s Fackeln«, sagte Teppicymon. Seine Stimme klang jetzt nicht nur hohl, sondern auch dumpf. »Ich schlage vor, du kommst mir mit ihnen nicht zu nahe, Junge.«
Es handelte sich um eine kleine Pyramide, ohne Labyrinth und Fallen. Ein schmaler Gang führte nach oben. Die beiden Einbalsamierer folgten dem siebenundzwanzigsten Pharao der Teppicymon-Dynastie, zitterten hingebungsvoll und rechneten jeden Augenblick damit, daß sich irgendein namenloser Schrecken auf sie stürzte. Nach einer Weile erreichten sie eine kleine quadratische Kammer, die nach Sand roch. Ruß klebte an der Decke.
Es fehlte ein Sarkophag. Es fehlte selbst ein schlichter Sarg. Auch die namenlosen Schrecken hielten sich verborgen. In der Mitte des Zimmers erhob sich ein kantiger Steinblock, und darauf lagen eine Decke und ein Kissen.
Sie wirkten nicht einmal besonders alt. Es war irgendwie enttäuschend.
Gern sah sich um.
»Eigentlich ganz nett«, sagte er. »Fast gemütlich.«
»Nein«, widersprach Dil.
»He, Herr Pharao, sehen Sie hier!« rief Gern und näherte sich einer Wand. »Jemand hat was in den Stein gekratzt. Kleine Linien, überall.«
»Und auch an dieser Wand«, brummte Teppicymon. »Und auf dem Boden. Jemand hat etwas gezählt. Jeweils zehn durchkreuzte Striche. Ja, jemand hat irgendwelche Dinge gezählt. Ziemlich viele Dinge, um ganz genau zu sein.« Er trat zurück.
»Welche Dinge?« fragte Dil und warf einen Blick über die Schulter.
»Seltsam«, sagte Teppicymon. Er beugte sich vor. »Man erkennt kaum mehr die Inschriften darunter.«
»Können Sie die Botschaft entziffern, Herr Pharao?« erkundigte sich Gern. Dil musterte ihn mißbilligend. Seiner Ansicht nach zeigte der junge Einbalsamierer zuviel Enthusiasmus.
»Nein, es ist ein uralter Dialekt«, erwiderte Teppicymon. »Derartige Hieroglyphen habe ich noch nie zuvor gesehen. Ich meine, gesehen habe ich sie schon, aber ich konnte sie nie verstehen. Vermutlich lebt heute niemand mehr, der diese Zeichen zu deuten vermag.«
»Bedauerlich«, sagte Gern.
»Ja, wirklich schade«, bestätigte Teppicymon und seufzte. Eine Zeitlang schwiegen sie betrübt.
»Vielleicht sollten wir einen der Toten fragen«, schlug Gern vor.
»Äh, Gern«, sagte Dil und wich fort.
Teppicymon klopfte dem Lehrling auf den Rücken und schleuderte ihn dadurch fast zu Boden.
»Verdammt gut Idee!« lobte er. »Wir holen einfach einen der ältesten Ahnen, bringen ihn hierher und … Oh.« Er gestikulierte vage. »Hat keinen Zweck. Niemand kann die ältesten Ahnen verstehen …«
»Gern!« ächzte Dil und riß die Augen auf.
»Kein Problem, Herr Pharao«, erwiderte Gern, der sich allmählich an seine neue Gedankenfreiheit gewöhnte. »Ich meine, jeder versteht irgend jemanden, äh, wir brauchen also nur die richtigen Toten zu finden.«
»Du bist wirklich helle, ja, nicht übel, mein Junge«, sagte Teppicymon.
»Gern!«
Lehrling und Pharao drehten sich erstaunt um.
»Ist alles in Ordnung mit dir, Meister?« fragte Gern. »Du bist plötzlich so blaß.«
»Die F …«, brachte Dil hervor und bebte voller Grauen.
»Die was, Meister?«
»Die F … Sieh nur die F …«
»Er sollte sich ein wenig ausruhen«, sagte Teppicymon. »Ich kenne diesen Typ. Typisch Künstler. Sind dauernd viel zu aufgeregt. Irgendwann brennt das Gehirn durch.«
Dil atmete tief ein.
»Sieh dir die verdammte Fackel an, Gern!« rief er. Lehrling und Pharao betrachteten die Fackel. Sie brannte rückwärts. Völlig lautlos verwandelte sich schwarze Asche in trockenes Stroh.
Vor Teppic erstreckte sich das Alte Königreich, und es wirkte irreal.
Er sah zu Du Mistvieh, der seine Schnauze in eine Quelle am Wegesrand gesteckt hatte und Geräusche verursachte, die an einen Milchshake-Becher erinnerten. 32 Du Mistvieh wirkte recht wirklich. Die Wirklichkeit scheint ohnehin ein Faible für große, massive Kamele zu haben – vielleicht fürchtet sie, angespuckt zu werden. Aber der Rest … Nun, der Landschaft haftete etwas Ungewisses an, als müsse sie erst noch entscheiden, ob sie existieren wollte oder nicht.
Die Große Pyramide bildete eine Ausnahme. Sie hockte in der Ferne, so real wie ein Stift, der einen Schmetterling ans Brett nagelt. Sie versuchte mit großem Erfolg, einen möglichst festen und unerschütterlichen Eindruck zu erwecken, so als sauge sie alles Feste und Unerschütterliche aus der übrigen Welt.
Nun, ich bin hier, dachte Teppic. Wo auch immer Hier sein mag.
Wie
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