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Pyramiden

Titel: Pyramiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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in einer abgelegenen Walhalla auf dem unerhört hohen Zentralberg wohnen und ihre Zeit damit verbringen, die Possen der Menschen zu beobachten und festzustellen, welchen Einfluß die Gletscher der Eisriesen auf den himmlischen Immobilienmarkt nehmen – die Götter der Scheibenwelt haben sich immer über das einzigartige Geschick der Menschen gewundert, genau zum falschen Zeitpunkt die falschen Worte zu sagen.
    Wir sprechen hier nicht von schlichten verbalen Ausrutschern wie ›Es ist völlig sicher‹ oder ›Bellende Hunde beißen nicht‹. Gemeint sind vielmehr einfache Sätze, die unter gewissen Umständen ebenso wirken können wie eine Stahlstange, die man in den Ansaugstutzen einer mit 3300 Umdrehungen arbeitenden 660-Megawatt-Dampfturbine wirft.
    Wer sich mit der menschlichen Fähigkeit auskennt, selbst in gut versteckte Fettnäpfchen zu treten, ahnt es bereits: Bei dem Wettbewerb ›Wie lautet die dümmste Bemerkung aller Zeiten‹ hätte Hoot Koomis Beitrag ›Hebe dich hinfort, Abschaum der Unterwelt‹ mit ziemlicher Sicherheit den ersten Platz belegt.
    Die Ahnen ganz vorn blieben stehen, und ihre mumifizierten Verwandten drängten nach.
    Pharao Teppicymon XXVII.– die stille Übereinkunft der sechsundzwanzig anderen Teppicymons hatte ihn zum Sprecher ernannt – schlurfte allein weiter und packte einen zitternden Koomi an den Armen.
    »Ich erinnere mich an dich«, knurrte er, »Du bist immer durch den Palast geschlichen, auf der Suche nach irgendwelchen Dienstmädchen. ›Ein schmieriger Bursche‹, dachte ich damals, ›aalglatt und ölig.‹«
    Er starrte die anderen Priester an.
    »Es sind alle zugegen, nicht wahr? Die ganze Priesterschaft ist gekommen, um ›Entschuldigt bitte, wir haben’s nicht so gemeint‹ zu sagen, wie? Wo steckt Dios?«
    Die Ahnen schoben sich näher, flüsterten und raunten. Wenn man mehrere hundert Jahre lang tot gewesen ist, bringt man jenen Leuten, die einem eine vergnügliche Zeit im Jenseits versprachen, nicht gerade freundschaftliche Gefühle entgegen. Irgendwo in der Menge knisterte und knirschte es: Einige jüngere Kollegen hielten Pharao Psam-nut-kha fest, der fünftausend Jahre damit verbracht hatte, die Innenflächen seiner Lider zu beobachten.
    Teppicymon richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Koomi, der am liebsten unsichtbar geworden wäre.
    »›Abschaum der Unterwelt‹, hm?«
    »Äh«, sagte Koomi.
    »Laß ihn«, sagte Dios und verzichtete auf das Sie. Aus irgendeinem Grund erschien es nicht angemessen, eine Mumie zu siezen. Er zog den Amtsstab aus Koomis erschlafften Händen. »Ich bin Dios, der höchste Hohepriester und erster Premierminister. Warum seid ihr hier?«
    Er sprach ganz ruhig und gelassen. Ernste Sorge erklang in seiner Stimme, an deren Autorität jedoch nicht der geringste Zweifel bestehen konnte. Jahrtausendelang hatten die Pharaonen von Djelibeby diese Stimme gehört. Es war eine Stimme, die ihren Tagesablauf regelte, Rituale verordnete, die Zeit sorgfältig in kleine Stücke schnitt, den Willen der Götter interpretierte. Die Ahnen erinnerten sich viel zu deutlich an sie. Einige Mumien senkten verlegen den Kopf und scharrten mit den Füßen.
    Ein jüngerer Pharao trat vor.
    »Du verdammter Mistkerl«, sagte er. »Du hast uns nacheinander in Pyramiden eingesperrt und bist die ganze Zeit über im Diesseits geblieben. Die Leute dachten, der Name werde vererbt, aber das ist nicht wahr. Du warst so dreist, ständig weiterzuleben. Wie alt bist du, Dios?«
    Es herrschte völlige Stille. Niemand bewegte sich. Leichter Wind wirbelte dünne Staubschleier auf.
    Dios seufzte.
    »Ich wollte es gar nicht«, erwiderte er. »Aber es gab zuviel zu tun. Der Tag hatte nie genug Stunden. Um ganz ehrlich zu sein: Ich wußte überhaupt nicht, was geschah. Ich hielt es nur für erfrischend, schöpfte keinen Verdacht. Für mich folgten nicht etwa Jahre aufeinander, sondern Rituale.«
    »Stammst wohl aus einer recht langlebigen Familie, wie?« fragte Teppicymon sarkastisch.
    Dios starrte ihn an, und seine Lippen bebten kurz. »Familie«, wiederholte er langsam, und plötzlich klang seine Stimme sanft. »Familie. Ja. Früher hatte ich einmal eine Familie, nicht wahr? Aber ich entsinne mich nicht mehr daran. Mein Gedächtnis ist sehr schlecht. Liegt an den Pyramiden. Sie erhalten keine Erinnerungen.«
    »Dios, Fußnoten-Verwahrer der Geschichte«, zischte Teppicymon.
    Der Hohepriester murmelte etwas und lächelte. »Bestimmte Dinge vergesse ich. Aber das ist nicht

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