Pyramiden
äußere Erscheinungsbild betraf, ließ sich kaum ein Unterschied feststellen.
Sie alle, bis auf die letzte Leiche, waren zur Großen Pyramide unterwegs, die wie ein Karbunkel alle anderen Gebäude überragte. Außerdem wirkten sie aus irgendeinem Grund verärgert, sogar zornig.
Teppic ließ sich fallen, landete auf dem flachen Dach einer Mastaba, überquerte es und sprang auf eine marmorne Sphinx. Dumpfe Besorgnis regte sich in ihm, aber diese steinerne Figur blieb völlig bewegungslos und machte keine Anstalten, ihm irgendein Rätsel zu stellen. Rasch entrollte er sein Seil, warf das Ankereisen und befand sich wenige Sekunden später auf einer mittelhohen Pyramidenstufe.
Letztes Tageslicht kroch müde über die stille Landschaft, als Teppic von Monument zu Monument hastete, hoch über der leise knarrenden und knisternden Mumien-Armee dahineilte.
Hinter ihm bildeten sich Triebe im uralten Gestein, erweiterten schmale Risse und verwelkten.
Hierfür bist du ausgebildet, sang das in Teppics Körper zirkulierende Blut. Selbst Mericet mußte dich dafür loben. Durch die Schatten hoch über einer stummen Stadt huschen, so flink und geschmeidig sein wie eine Katze, selbst dort Halt finden, wo eine Eidechse aufgeben müßte – und am Ziel ein Opfer.
Allerdings bestand es aus mehreren Milliarden Tonnen Gestein und hieß Große Pyramide. In Hinblick auf Gewicht und Masse hielt der (zu seinen Lebzeiten) dreihundertsiebzehn Kilo schwere Despot von Quirm den Rekord aller bisherigen Inhumierungs-Aufträge. Ich verewige mich in den Annalen der Gilde, dachte Teppic nicht ohne eine gewisse Zufriedenheit.
Eine hohe Säule, deren Basrelief von den Leistungen eines vor viertausend Jahren verstorbenen Pharaos berichtete (die Darstellungen wären sicher noch weitaus informativer gewesen, wenn Sandstürme nicht den Namen des betreffenden Monarchen ausradiert hätten), diente Teppic als Leiter. Kurze Zeit später hielt er sich an ihrer Spitze fest, warf erneut das Ankereisen und beobachtete, wie es sich zwischen den ausgestreckten Fingern eines vergessenen Herrschers verhakte. Versuchsweise zog er an dem Seil, ließ los und schwang sich auf das Dach einer weiteren Grabstätte.
Teppic hielt nicht inne, stürmte sofort weiter, kletterte und hämmerte Steigeisen in die Gedenktafeln der Toten.
Lagerfeuer markierten die Standorte der gegnerischen Truppen. Zwischen Tsort und Ephebe herrschte eine traditionelle und unpersönliche Feindschaft, aber beide Nationen hielten sich an einen Brauch, der den Krieg des Nachts, während der Ernte und bei schlechtem Wetter verbot. Mit anderen Worten: Der Krieg war wichtig genug, um für besondere Gelegenheiten reserviert zu werden. Wer sich in dieser Hinsicht zu sehr ins Zeug legte, machte die ganze Sache zu einer Farce.
Im Zwielicht erklang auf beiden Seiten lautes Hämmern.
Es heißt, Generäle seien immer bereit, die letzte Schlacht zu wiederholen. Nun, die letzte Schlacht zwischen Tsort und Ephebe hatte vor einigen tausend Jahren stattgefunden, aber Generäle haben ein besonders gutes Gedächtnis, und sie waren entschlossen, ihre Chance nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.
Auf beiden Seiten entstanden große Holzpferde.
»Er ist weg«, sagte Ptaclusp IIb und kroch übers Geröll zurück.
»Wurde auch Zeit«, erwiderte sein Vater. »Hilf mir, deinen Bruder zusammenzurollen! Bist du ganz sicher, daß es ihm nicht weh tut?«
»Nun, wenn wir vorsichtig sind, ist er nicht mehr imstande, sich in der Zeit – beziehungsweise in der Breite zu bewegen. Und wenn keine Zeit für ihn verstreicht, kann er unmöglich Schmerzen empfinden.«
Ptaclusp dachte ans Damals, als der Pyramidenbau darin bestand, einen Felsblock auf den anderen zu setzen. Man mußte nur daran denken, oben weniger Steine aufzuschichten. Jetzt führten gewisse Komplikationen dazu, daß er einen Sohn faltete.
»In Ordnung«, sagte er skeptisch. »Gehen wir.« Er schob sich am Geröllhang empor, hob vorsichtig den Kopf und riß die Augen auf, als er die Toten sah. Die Vorhut der Mumien-Armee schlurfte gerade an der nächsten kleinen Pyramide vorbei.
Zuerst dachte Ptaclusp: Sie sind gekommen, um sich zu beschweren.
Er hatte sich immer Mühe gegeben, aber es war eben nicht leicht, sich ständig im Rahmen des Kostenvoranschlags zu bewegen. Manchmal sah man sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, hier und dort etwas einzusparen. Was dazu führte, daß nicht alle Einzelheiten den Plänen entsprachen. Zum Beispiel mochten
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