Pyramiden
verursachen.
Eigentlich konnte es Teppic dem Hohenpriester nicht verdenken. Wenn ganz in Schwarz gekleidete Ketzer und Frevler des Nachts durch den Palast schlichen, mußte Seine Majestät geschützt werden. Völlig klar.
Er kroch von dem harten Ruhelager herunter, huschte durchs Zwielicht und näherte sich einer Statue, die den katzenköpfigen Gott Bast zeigte. Rasch schraubte er den Schädel ab, griff in den hohlen Torso und holte die Assassinen-Kleidung hervor. Er streifte sie über und bedauerte kurz, sich nicht in einem Spiegel betrachten zu können, bevor er das Zimmer durchquerte und sich hinter eine Säule duckte.
Soweit es ihn betraf, bestand das einzige Problem darin, nicht laut zu lachen. Wer sich in Djelibeby für den Beruf des Soldaten entschied, durfte ziemlich sicher sein, daß er seine Rente genießen konnte. Es kam nie zu irgendwelchen Aufständen, und da die beiden Nachbarstaaten Tsort und Ephebe jederzeit in der Lage gewesen wären, das Königreich zu erobern, hatte es keinen Sinn, besonders fähige und kampfwillige Krieger auszubilden. Mit begeisterten Soldaten konnte Djelibeby nichts anfangen. Begeisterte Soldaten langweilten sich, wenn sie keine Gelegenheit bekamen, in die Schlacht zu ziehen. Wenn sich begeisterte Soldaten langweilten, kamen sie auf dumme Gedanken, zum Beispiel: Sind wir nicht weitaus besser geeignet, die Staatsgeschäfte zu führen? oder Wozu brauchen wir den Pharao und die Priesterschaft?
Der djelibebische Idealsoldat war groß, stämmig und konnte stundenlang an einem Fleck stehen, ohne sich zu langweilen. Der djelibebische Idealsoldat hatte die Statur eines Ochsen und dachte mit der Geschwindigkeit einer langsamen Schnecke. Eine ausgezeichnete Kontrolle über Blase und Darm kam hinzu.
Teppic trat auf den Balkon.
Er hatte längst gelernt, sich nicht verstohlen zu bewegen. Viele Millionen Jahre lang fielen Menschen Geschöpfen zum Opfer, die sich verstohlen heranschlichen, und irgendwann meinten die Instinkte, jetzt sei aber Schluß. Es genügte auch nicht, lautlos zu sein – kleine Bereiche dahinschwebender Stille weckten immer Argwohn. Nein, man mußte selbstsicher durch die Nacht gleiten, so wie die Luft.
Teppic schob sich an einem Wächter vorbei und kletterte langsam an der Mauer hoch. Sie war mit einem komplexen Flachrelief geschmückt, das die Triumphe verstorbener Monarchen verdeutlichte. Mit anderen Worten: Teppic ließ sich von seinen Vorfahren hinaufhelfen.
Ein warmer Wind wehte von der Wüste, als er sich über die Brüstung schwang und über das immer noch heiße Dach eilte. Die Luft schmeckte so, als habe man sie gerade gekocht und gewürzt.
Teppic empfand es als seltsam, über das Dach des eigenen Palastes zu schleichen, den eigenen Wächtern auszuweichen und eine Absicht zu verfolgen, die in krassem Gegensatz zu den eigenen Befehlen stand. Wenn man ihn erwischte, mußte er sich dazu verurteilen, den heiligen Krokodilen zum Fraß vorgeworfen zu werden. Vermutlich hatte er auch bereits Anweisung gegeben, ihm gegenüber keine Gnade walten zu lassen.
Die Gefahr, sich streng zu bestrafen, machte den nächtlichen Ausflug noch weitaus aufregender.
Teppic blickte über das weite Dach und atmete tief durch; hier bot sich ihm die einzige Freiheit, die es für den Pharao des Alten Königreichs gab. Voller Wehmut dachte er an die grundbesitzlosen Bauern im Delta, die wahrscheinlich mehr Freiheit genossen als er. Doch dann flüsterte eine rebellische, aufwieglerische Stimme in ihm: Ja, sie haben die Freiheit, sich verschiedene Krankheiten zu holen, langsam zu verhungern oder an Gicht zu sterben.
Trotzdem: Eine gewisse Freiheit ließ sich nicht leugnen.
Ein leises Geräusch in der schweren Stille der Nacht weckte Teppics Aufmerksamkeit, lockte ihn zum Rande des Daches. Der Djel floß im Mondschein, breit und ölig.
In der Mitte des Stroms tanzte ein kleines Boot auf den trägen Wellen; offenbar kehrte es gerade von der Nekropolis am anderen Ufer zurück. Die Gestalt am Ruder erschien viel zu vertraut – das Entladungslicht spiegelte sich auf einem kahlen Kopf wider.
Irgendwann einmal folge ich ihm, dachte Teppic. Um herauszufinden, was er dort drüben anstellt.
Vorausgesetzt natürlich, er setzt bei hellem Tageslicht über.
Tagsüber war die Nekropolis nur düster, als sei das Universum entschlossen, früher Feierabend zu machen. Teppic hatte sich die Nekropolis angesehen, und in seiner Vorstellung wanderte er noch einmal durch Straßen, die immer still
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