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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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Stellung innehatte und somit die Frage an die höheren Autoritäten der Partei weiterreichen konnte. Sie mußten wissen, wie in einem derart heiklen Fall wie diesem vorzugehen war, ob Wu Xiaoming schuldig war oder nicht. Im besten Interesse der Partei.
    Er legte auch eine Kopie von »Nächtliches Gespräch« bei und unterstrich einige Wörter. Er hielt es für seine Pflicht, den höheren Stellen seine Sorge über Oberinspektor Chens ideologische Zwielichtigkeit mitzuteilen.
    Kommissar Zhang war sich der Konsequenzen, die sein Bericht möglicherweise für Oberinspektor Chen haben würde, durchaus bewußt. Aber das mußte ja für einen jungen Mann nicht gleich das Ende der Welt bedeuten.

 
    22
     
    GUANGZHOU.
    Oberinspektor Chen stand unter dem Schild am Bahnhof, auf dem es von Reisenden aus dem ganzen Land wimmelte. Guangzhou, das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Südchinas, entwickelte sich rasch zu einem zweiten Hongkong.
    Ironischerweise hatte aber Guangzhou, wie Chen einem Reiseführer entnahm, eine wesentlich längere Geschichte. Es war bereits mit barbarischen Kaufleuten aus dem Westen in Kontakt gekommen, als Hongkong noch ein Fischerdorf war. Nach 1949 war Guangzhou jedoch wegen seiner Nähe zu Hongkong unter besondere ideologische Kontrolle gestellt worden, wodurch es in seiner kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung gehemmt worden war. Das änderte sich erst, als mit der Reise des Genossen Deng Xiaoping in den Süden Anfang der achtziger Jahre die »Politik der offenen Tür« vorangetrieben wurde. Durch die schnell wachsende Zahl freier Märkte und Privatunternehmen fand in Guangzhou und in den es umgebenden Städten eine wirtschaftliche Revolution statt, die dort zu tiefgreifenden Veränderungen führte. Guangzhou, wie die benachbarte Sonderwirtschaftszone Shenzhen eine von Bürohochhäusern beherrschte Stadt, wurde zu einem Ausnahmefall, in dem Sinne, daß die meisten der orthodoxen sozialistischen Normen hier nicht galten. Die Vorteile des Sozialismus wurden nun umgedeutet als solche für ein besseres Leben mit mehr Wohlstand für das Volk. Ausländische Kapitalisten und Investoren kamen in Scharen. Die engen Verbindungen der Stadt zu Hongkong wurden durch den Bau einer Eisenbahn noch intensiviert.
    Das erklärt, warum es so viele Menschen, auch Xie Rong, nach Guangzhou zieht, dachte Chen. Auf der anderen Seite des Bahnhofs standen Menschen am Bahnsteig Schlange und warteten auf den neuen Guangzhou-Hongkong-Expreß. In den Lokalzeitungen wurde das Thema »Ein Land, zwei Systeme« intensiv diskutiert. Händler riefen: »Geröstete Gans, Hongkong-Art« und »Gegrilltes Schweinefleisch, Hongkong-Art«, als ob alles sofort attraktiver würde, wenn man es erst einmal mit dem Etikett »Hongkong« versehen hatte.
    Auf der Sitzung der Sonderabteilung hatte Kommissar Zhang Chens Budgetprobleme weiter verkompliziert, als dieser eine Reihe von Gründen für die Reise dargelegt hatte. Einen Grund hatte Chen allerdings nicht genannt. Er hatte sich bewußt so sehr auf den Fall konzentriert, damit ihm keine Zeit blieb, über sein persönliches Problem nachzudenken. Und dafür war eine Reise zu Ermittlungszwecken, die ihn einige Tage aus Shanghai wegführte, genau das richtige. In Guangzhou mußte Chen jedoch feststellen, daß die Haushaltslage schlimmer war, als er erwartet hatte. Hier waren die Preise hoch, und für ein kleines schäbiges Hotelzimmer in einer halbwegs passablen Gegend verlangte man von ihm vierzig Yuan pro Nacht. Chen hatte bereits bei der Eisenbahn einhundertfünfzig Yuan für die Rückfahrkarte berappt. Die ihm noch verbliebenen zweihundert Yuan reichten nicht einmal für fünf Tage. Als Oberinspektor stand ihm die übliche Essenszulage von maximal fünf Yuan zu, aber schon eine kleine Schale Krabbenbällchen und Nudeln an irgendeiner Imbißbude an der Straße würde ihn mehr kosten. Die einzige Lösung bestand darin, ein billiges Gästehaus mit einer kleinen Cafeteria zu finden.
    Nachdem er zwanzig Minuten bei dem Hotelreservierungsservice im Bahnhof zugebracht hatte, beschloß er, die Vorsitzende des Schriftstellerverbandes in Guangzhou, Yang Ke, anzurufen.
    »Genossin Yang, hier spricht Chen Cao.«
    »Kleiner Chen, ich freue mich so, daß Sie mich anrufen«, sagte Yang. »Ich habe gleich Ihren Shanghaier Akzent erkannt.«
    »Sie erinnern sich also noch an mich?«
    »Natürlich, und auch an den Artikel, den Sie über den Film geschrieben haben. Wo sind Sie denn?«
    »Ich bin hier in

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