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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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Oberinspektor?«
    »Ja, wir haben nur wenig Leute.«
    »Gibt es einen wichtigen Fall, mit dem Sie betraut sind?«
    »Einige. Jeder Fall ist wichtig – für uns jedenfalls.«
    »Mir ist zu Ohren gekommen, daß Sie im Fall der nationalen Modellarbeiterin Guan Hongying ermitteln.«
    Ihm war nicht klar, ob das eine Feststellung oder eine Frage war, also nickte er nur. Er fragte sich aber, wie sie davon gehört haben mochte.
    »Haben Sie schon Ergebnisse?«
    »Ein paar vielversprechende Spuren, aber nichts Endgültiges. Viele Fragen sind noch offen.«
    »Um welche handelt es sich?«
    »Zum Beispiel Beweise, Motiv und Zeugen.« Chen fühlte sich allmählich unbehaglich, da es über die Zuständigkeit von Yaos Büro hinausging, sich in einen Mordfall einzumischen. »Zur Zeit haben wir nur Hypothesen.«
    »Ich habe Sie gebeten, hierherzukommen«, sagte sie streng mit ihrem Shandong-Akzent, »weil ich erfahren möchte, wie Sie bei den Ermittlungen vorgehen.«
    »Es handelt sich um einen Mordfall. Wir folgen dem üblichen Verfahren.«
    »Sie haben einen Verdächtigen, ist das richtig?«
    »Ja.« Es schien ihm zwecklos, ihr diese Information vorzuenthalten. »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Wu Xiaoming unser Hauptverdächtiger.«
    »Der Sohn des Genossen Wu Bing?«
    »Ja.«
    »Wie ist das möglich? Wu Bing und ich waren zu Beginn der fünfziger Jahre Kollegen, wir saßen im selben Büro, und Wu Xiaoming spielte mit unseren Kindern im selben Kindergarten. Ich habe ihn in der letzten Zeit nicht gesehen, aber wie ich dem Kaderempfehlungsbericht des Roten Stern entnommen habe, leistet er gute Arbeit. Man hat eine sehr hohe Meinung von ihm.«
    »Wu leistet zweifellos gute Arbeit bei der Zeitschrift, aber er hatte eine Affäre mit Guan. Er hat sie sogar am Abend ihres Todes angerufen.«
    »Das ist doch nicht möglich!«
    »Doch, wir haben Beweise.«
    »Und was für Beweise sind das?«
    Chen entschloß sich zu einer vagen Antwort: »Zur Zeit nur Indizienbeweise.«
    »Und aufgrund dieser Indizienbeweise kommen Sie zu dem Schluß«, sagte Yao scharf, »daß Wu Bings Sohn den Mord verübt hat.«
    »Nein, wir kommen zu keiner Schlußfolgerung. Wir ermitteln noch.«
    »Aber diese Nachricht wäre für Wu Bing ein fürchterlicher Schlag, zumal er in schlechter gesundheitlicher Verfassung ist.«
    »Genosse Wu Bing ist ein alter Genosse, für den ich immer Respekt empfunden habe. Wir wissen, daß er im Krankenhaus liegt. Deshalb gehen wir sehr behutsam vor.«
    »Gleichgültig, aus welcher Familie Wu Xiaoming kommt, ich werde ihn nicht decken. Weit gefehlt. Wenn sich seine Schuld herausstellt, muß er bestraft werden. Das ist die Politik der Partei.«
    »Danke für Ihre Unterstützung, Genossin Direktorin Yao.«
    »Aber, Genosse Oberinspektor Chen, haben Sie die Reaktion des Volkes auf Ihre Ermittlungen bedacht?«
    Direktorin Yao war von Reihen dicker, amtlicher Publikationen mit Goldrand förmlich eingemauert. Das gesamte Mobiliar in ihrem Büro war aus Massivholz. Alles bezeugte ihre starke Autorität.
    »Reaktion?« fragte er. »Es ist mir nicht klar, welche Reaktion Sie meinen.«
    »Die Leute würden sagen: »Na so was, Wu Bings Sohn hat einen Mord begangen! Diese Prinzlinge!« Das wird dem Ansehen unserer Partei nicht förderlich sein.«
    »Genossin Direktorin Yao, als Parteimitglied und als Polizeibeamter habe ich es stets als meine höchste Pflicht erachtet, das unbefleckte Ansehen unserer Partei zu verteidigen; ich vermag aber nicht zu erkennen, inwiefern unsere Ermittlungen ihrem Ansehen schaden könnten.«
    »Genosse Oberinspektor Chen«, sagte sie, wobei sie noch aufrechter saß und die Hände auf dem Tisch übereinanderlegte, »unsere Partei hat bei der Reform von Wirtschaft und Politik enorme Fortschritte erzielt, aber in einer derartigen Übergangsphase kann es zu Problemen kommen, über die die Leute sich beklagen. Und gegenwärtig gibt es in der Gesellschaft Vorurteile gegen die Kinder hoher Kader, die sogenannten Prinzlinge. Man schreibt ihnen alle möglichen Schandtaten zu. Dem ist natürlich nicht so.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen, Genossin Direktorin Yao«, sagte er. »Bereits in der Grundschule habe ich gelernt, welch großen Beitrag die hohen Kader, die Revolutionäre der alten Generation, für unseren Staat geleistet haben. Wie könnte ich da Vorurteile gegen deren Kinder hegen? Unsere Ermittlungen haben nichts mit diesen irrigen Vorstellungen zu tun. Hier handelt es sich um einen Mordfall, mit dem unsere

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