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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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Einspruch.
    Dr. Xia konnte er nirgends finden – der Doktor war vielleicht gar nicht so erpicht darauf, die Antragsformulare der Partei auszufüllen. Auch nach Yu fahndete Chen vergebens. In seinem eigenen Büro fand er nur eine kurze Notiz vor: »Arbeite jetzt bei den Leuten von der Inneren Sicherheit. Werde meinen Mund geschlossen und die Augen offenhalten, wie Sie gesagt haben! Yu.«
    Später, als Oberinspektor Chen sich zum Gehen wandte, kam ihm auf dem Gang Wachtmeister Liao entgegen: »Herzlichen Glückwunsch! Das haben Sie großartig gemacht!«
    »Danke sehr.«
    Flüsternd setzte Liao hinzu: »Wir werden dafür sorgen, daß Fräulein Wangs Paßantrag entsprechend bearbeitet wird.«
    »Fräulein Wang, ach ja …« In den letzten Tagen hatte Chen kaum an sie gedacht.
    Jetzt, wo er wieder die Gunst der Partei genoß, sollte Wang ihren Paß bekommen. Was für ein Snob dieser Wachtmeister war!
    »Danke sehr«, sagte er und schüttelte energisch Liaos Hand.
    Aber Wang schien schon so weit entrückt zu sein wie jene Frau, von der es bei Li Shangyin heißt: Meister Liu beklagt, daß der Peng-Berg so weit entfernt ist / Und tausendmal weiter ich selbst entfernt von den Bergen.
    In der altchinesischen Sage machte sich Meister Liu, ein junger Mann aus der Han-Dynastie, zum Berg Peng auf, wo er eine herrliche Zeit mit einer wunderschönen Frau verbrachte. Als er in sein Heimatdorf zurückkehrte, hatte es sich bis zur Unkenntlichkeit verändert – hundert Jahre waren inzwischen vergangen. Liu fand nie wieder den Weg auf den Berg zurück. So wurde dieser Zweizeiler häufig als Ausdruck der Betrübnis über einen unwiederbringlichen Verlust gelesen.

 
    40
     
    ES WAR DER VIERTE TAG der Konferenz der Nationalen Polizeikader. Das Hotel International, an der Kreuzung Nanjing Lu/Huanghe Lu gelegen, überragte den Kern der Innenstadt und war früher jahrelang das höchste Gebäude Shanghais gewesen.
    Oberinspektor Chen hatte eine luxuriöse Suite im 22. Stock bekommen. Wenn er aus dem Fenster gen Osten sah, konnte er im grauen Licht der Morgendämmerung das Gebäude des Kaufhauses Nr. 1 erblicken, das sich zusammen mit anderen Geschäftshäusern in der Nanjing Lu zu einer farbenfrohen Parade aufreihte, die bis zum Bund hinunterreichte. Doch war er nicht in der Stimmung, um die spektakuläre Aussicht zu genießen. Er beeilte sich, in die Kleider zu kommen. Die letzten Tage waren sehr hektisch verlaufen, weil er nicht nur als Vertreter des Shanghaier Polizeipräsidiums auftrat, sondern auch als Gastgeber der Tagung zu fungieren hatte und alle möglichen Programmpunkte unter einen Hut bringen mußte. Die meisten Tagungsteilnehmer waren Polizeipräsidenten oder Parteisekretäre aus anderen Städten. Er mußte die Verbindungen zu ihnen ausbauen. Im eigenen Interesse wie auch im Interesse des Präsidiums.
    Infolgedessen war ihm kaum Zeit geblieben, über den Fortgang des Falles nachzudenken. Trotzdem stahl er sich auch an diesem Morgen – wie schon die vergangenen Tage – als erstes aus dem Hotel und ging zu einer öffentlichen Telefonzelle auf der anderen Straßenseite. Er hatte Yu eingeschärft, ihn nicht in seinem Hotelzimmer anzurufen, es sei denn in dringenden Fällen. Wenn die Innere Sicherheit mitmischte, konnte man nicht vorsichtig genug sein.
    Zur verabredeten Zeit wählte er Yus Nummer. »Na, wie stehen die Dinge?« fragte er.
    »Gut! Wissen Sie was, sogar Direktorin Yao Liangxia, dieses marxistische Urgestein, hat in unserem Büro angerufen. Sie hat erklärt, daß die Disziplinarkommission der Partei fest hinter uns steht.«
    »Hat Parteisekretär Li irgend etwas verlauten lassen?«
    »Gestern abend gab es eine telefonische Konferenzschaltung zwischen dem Parteikomitee des Präsidiums und dem Bürgermeister. Es waren von unserer Seite aber nur Parteisekretär Li und Polizeipräsident Zhao dabei. Diskussion hinter verschlossenen Türen natürlich. Ich denke, es ging um Politik.«
    »Li wird über diese Besprechungen kein Sterbenswörtchen verlieren, soweit ich sehe. Gibt es aus anderen Quellen irgendwelche Neuigkeiten?«
    »Ja. Auch Wang Feng hat sich bei uns gemeldet und gesagt, daß die Wenhui-Zeitung morgen eine Geschichte auf der Titelseite bringen wird.«
    »Wieso denn das?«
    »Wu wird heute der Prozeß gemacht! Haben Sie das denn nicht gehört, Oberinspektor Chen?«
    »Was! Nein, das wußte ich nicht.«
    »Das wundert mich«, sagte Yu. »Und ich dachte, man würde Sie sofort informieren.«
    »Werden Sie auch

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