Qiu Xiaolong
erscheinen?«
»Ja, ich werde dasein, aber die Innere Sicherheit wird natürlich im Hintergrund die Fäden ziehen.«
»Wie kommen Sie mit den Leuten von der Inneren Sicherheit zurecht?«
»Gut! Ich glaube, sie nehmen ihre Aufgabe ernst. Sie sind dabei, sämtliche Dokumente zusammenzutra gen.« Dann fügte Yu hinzu: »Nur daß sie einige Be weise und Zeugen nicht noch einmal überprüft haben.«
»Wie meinen Sie das?«
»Na, nehmen Sie zum Beispiel den Genossen Yang, diesen Mann von der Tankstelle. Ich schlug ihnen vor, sie sollten ihn zur Überprüfung der Personalien herbestellen und dann als Zeuge vor Gericht präsentieren. Aber sie sagten, das werde nicht notwendig sein.«
»Und was, glauben Sie, wird bei dem Ganzen herauskommen?«
»Wu wird bestraft werden, keine Frage«, meinte Yu. »Sonst wäre es völlig sinnlos, soviel Trara zu machen. Aber das Verfahren kann sich über Tage hinziehen.«
»Wird es ein Todesurteil geben?«
»Ja, aber ich wette, mit Begnadigung, wo der alte Mann noch im Krankenhaus liegt. Mit weniger wird es wohl nicht abgehen. Das Volk wird das nicht zulassen.«
»]a, das ist am wahrscheinlichsten«, sagte Chen. »Was hat Ihnen Wang sonst noch erzählt?«
»Wang wollte, daß ich Ihnen ihre Gratulation übermittle. Und der Alte Jäger schickt den Salut eines alten Bolschewiken. ›Alter Bolschewik‹ – so hat er selbst gesagt. Das Wort habe ich von ihm seit Jahren nicht mehr gehört.«
»Er ist wirklich ein alter Bolschewik. Bestellen Sie ihm, daß ich ihn ins Teehaus im Herzen des Sees einlade. Ich stehe mächtig in seiner Schuld.«
»Lassen Sie’s gut sein – er hat davon gesprochen, Sie einzuladen! Der alte Mann weiß nicht, was er mit seiner Aufwandsentschädigung als Berater anfangen soll.«
»Die hat er sich nach dreißig Jahren bei der Polizei redlich verdient«, erwiderte Chen. »Ganz zu schweigen von seinem Beitrag zu unserem Fall.«
»Und Peiqin bereitet ein Essen vor. Etwas Feines, soviel kann ich Ihnen versprechen! Wir haben eben etwas Yunnan-Schinken bekommen. Ein prächtiges Stück.« Hauptwachtmeister Yu, der eigentlich längst über solchen Überschwang beim Abschluß eines Falles hätte hinaus sein müssen, plauderte munter weiter. »Wirklich jammerschade, daß Sie den ganzen Trubel hier versäumen.«
»Ja, da haben Sie recht«, meinte Chen. »Ich habe alle Hände voll mit der Tagung hier. Ich hatte schon fast vergessen, daß ich für den Fall zuständig bin!«
Dann hängte er ein und lief schnell in das Hotel zurück. Am Vormittag hatte er eine Präsentation zu machen und am Nachmittag einer Gruppendiskussion beizuwohnen. Am Abend sollte dann Minister Wen eine wichtige Rede zum Abschluß der Tagung halten. Bald war Chen von den Einzelheiten des Tagungsablaufs völlig absorbiert.
In der Mittagspause wollte er noch einmal telefonieren, um sich nach dem Prozeß zu erkundigen, wurde aber in der Empfangshalle von Polizeipräsident Fu vom Pekinger Polizeipräsidium abgefangen, der ihn in ein halbstündiges Gespräch verwickelte. Danach kam ein anderer Teilnehmer auf ihn zu. Und während des Abendessens ergab sich überhaupt keine Pause, da er von Tisch zu Tisch gehen und allen zuprosten mußte. Nach dem Abendessen sprach ihn Minister Wen an, der es besonders gut mit ihm zu meinen schien. Erst nach neun Uhr, als alle langen Reden gehalten waren, konnte sich Chen endlich aus dem Hotel schleichen, um von einer anderen Zelle in der Huanpi Lu zu telefonieren. Yu war nicht zu Hause.
Als Chen in sein Zimmer zurückkam, hatte das Zimmermädchen schon alles für die Nacht hergerichtet. Das Bett war gemacht, das Fenster geschlossen, die Vorhänge halb zugezogen. Auf dem Nachttisch lag eine Packung Marlboro. In der Minibar standen mehrere Flaschen Budweiser – ein importierter Luxus, der Chens Status bei dieser Tagung entsprach. Alles deutete darauf hin, daß er ein »wichtiger Kader« war.
Er schaltete die Nachttischlampe ein und überflog das Fernsehprogramm. Das Hotelzimmer war verkabelt, und so standen mehrere Kung-Fu-Filme aus Hongkong zur Auswahl. Darauf hatte er keine Lust. Statt dessen sah er noch einmal aus dem Fenster auf die Silhouette des Kaufhauses Nr. 1, die im bunten Wechsel der Neonlichter gegen den Nachthimmel stand.
Wäre irgend etwas Dringendes gewesen, hätte Yu sich bei Chen gemeldet.
So nahm er eine Dusche, zog seinen Pyjama an, machte eine Flasche Budweiser auf und begann, die Zeitung zu studieren. Viel Lesenswertes stand nicht drin, aber er
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