Qiu Xiaolong
durch unsere Politik der Offenen Tür müssen wir um so wachsamer gegen den westlichbürgerlichen Einfluß sein. Dieser Fall beweist, wie ernst, ja wie verhängnisvoll ein solcher Einfluß werden kann. Die Verbrecher sind ihm zum Opfer gefallen, obwohl sie aus revolutionären Kaderfamilien stammen. Es ist ein wichtiger Fall, Genossen! Die Menschen draußen unterstützen unsere Arbeit. Ebenso das Zentralkomitee unserer Partei. Wir möchten Oberinspektor Chen zu seiner Leistung gratulieren. Er hat bei der Durchführung seiner Ermittlungen große Schwierigkeiten überwunden. Selbstverständlich haben auch Genosse Hauptwachtmeister Yu und Kommissar Zhang sehr gute Arbeit geleistet.«
»Von welchem Fall sprechen Sie, Genosse Parteisekretär Li?« fiel Yu ihm völlig konsterniert ins Wort.
»Von dem Fall Wu Xiaoming«, sagte Li sehr ernst. »Wu Xiao-ming wurde gestern abend zusammen mit Guo Qiang verhaftet.«
Kein Wunder, daß Yu perplex ist, dachte Chen. Am einen Tag wurden die Polizisten suspendiert, am nächsten die Verbrecher verhaftet. Der Widerstand gegen die Ermittlungen hatte sich über Nacht in Luft aufgelöst. Der Abschluß des Falles kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Im günstigsten Szenario, das Chen sich ausgemalt hatte, hätte Wu sich der Bestrafung bis zum Tode Wu Bings entzogen. Und jetzt hatte man den Sohn festgenommen, während der Vater noch lebte.
»Aber wie war das möglich?« Yu erhob sich von seinem Platz. »Davon wußten wir ja gar nichts.«
»Wer hat denn die Verhaftungen vorgenommen?« fragte Chen.
»Die Innere Sicherheit.«
»Das ist nicht deren Fall!« protestierte Yu. »Wir sind für den Fall zuständig. Oberinspektor Chen und ich – und natürlich Kommissar Zhang als unser politisch stets korrekter Berater. Wir waren vom ersten Tag an zuständig.«
»Es ist ja Ihr Fall!« sagte Parteisekretär Li. »Das ist überhaupt keine Frage. Sie haben alle hervorragende Arbeit geleistet. Nur wegen der sensiblen Natur der Angelegenheit hat sich die Politische Sicherheit im letzten Stadium der Ermittlungen eingeschaltet. Ungewöhnliche Probleme erfordern ungewöhnliche Maßnahmen, Genossen! Und die Situation ist in der Tat sehr ungewöhnlich. Die Entscheidung ist denn auch auf sehr viel höherer Ebene getroffen worden. Es geschieht alles im wohlverstandenen Interesse der Partei.«
»Und uns läßt man im dunkeln tappen«, grollte Yu. »Im wohlverstandenen Interesse der Partei.«
»Parteisekretär Li war noch nicht fertig, Genosse Hauptwachtmeister Yu«, beschwichtigte Chen. Freilich verstand er, daß Yu enttäuscht war, weil man ihn um die Genugtuung brachte, den Fall abzuschließen. Nach all den Komplikationen hätten sie die Chance verdient, Wu persönlich zur Strecke zu bringen. Außerdem war Yu nicht bekannt, daß die Innere Sicherheit schon seit langem in den Fall einbezogen war.
Chen zog es vor, im Augenblick nichts weiter zu sagen. Diese unerwartete Entwicklung konnte enorme politische Tragweite haben.
»Die Sondergruppe hat einen hervorragenden Beitrag geleistet«, fuhr Parteisekretär Li fort. »Die Partei und das Volk wissen ihre Arbeit zu schätzen. Wir haben beschlossen, ihr kollektiv eine lobende Erwähnung erster Klasse auszusprechen. Das bedeutet natürlich nicht, daß unsere Arbeit jetzt getan wäre. Es gibt immer noch eine Menge zu tun. – Und jetzt wird der Polizeipräsident zu uns sprechen.«
»Zunächst«, begann Polizeipräsident Zhao, »möchte ich den Genossen von der Sondergruppe, vor allem dem Genossen Oberinspektor Chen, für seinen Scharfsinn und seine Hartnäckigkeit danken.«
»Für sein Engagement«, warf der Parteisekretär ein, »und sein ausgeprägtes Bewußtsein für die Interessen der Partei.«
»Wir haben immer große Stücke auf den Oberinspektor Chen und seine Arbeit gehalten«, fuhr der Polizeipräsident fort. »Er hat als stellvertretender Direktor des städtischen Verkehrskontrollamtes gute Arbeit geleistet. Jetzt können wir ihn wieder bei uns begrüßen. Und in Anerkennung seiner Leistung sowie zur Umsetzung unserer ›Politik der jungen Kader‹ in der Partei haben wir beschlossen, daß Oberinspektor Chen uns auf der Tagung der Nationalen Polizeikader vertreten wird, die morgen im Hotel International beginnt . Es ist eine Ehre, die er nach all der harten Arbeit verdient hat. Wir wissen auch die harte Arbeit des Genossen Yu zu schätzen. Das Parteikomitee schlägt daher vor, den Genossen Yu auf der Liste unseres Wohnungsausschusses an die
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