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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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wußte, daß er jetzt nicht einschlafen konnte.
    Plötzlich vernahm er ein leises Pochen an der Tür.
    Er erwartete keinen Besuch. Natürlich hätte er so tun können, als schlafe er schon, doch hatte er einmal gehört, daß der Sicherheitsdienst in Hotels zu den unmöglichsten Stunden die Zimmer kontrollierte.
    »Ja, kommen Sie rein«, sagte er mit leiser Resignation.
    Die Tür ging auf.
    Jemand in einem weißen Bademantel trat mit nackten Füßen über die Schwelle.
    Chen starrte die Erscheinung sekundenlang an, verglich sie mit Bildern seiner Erinnerung, bevor er sie wiedererkannte:
    »Ling!«
    »Chen!«
    »Daß du hier bist…« stotterte er und wußte nicht, was er weiter sagen sollte.
    Sie schloß die Tür hinter sich.
    Auf ihrem Gesicht lag keine Spur von Erstaunen. Es war, als sei sie eben aus der alten Bibliothek in der Verbotenen Stadt gekommen und trage einen Packen Bücher für ihn auf dem Arm, während in der Ferne das Taubengurren in den klaren Pekinger Himmel stieg.
    Ling war dieselbe – trotz der inzwischen vergangenen Jahre – nur daß ihr das lange Haar, für die Nacht gelöst, auf die Schultern fiel. Einige lose Strähnen ringelten sich um ihre Wangen und gaben ihr ein beinahe intimes Aussehen. Dann bemerkte Chen zarte Falten unter den Augen.
    »Was hat dich hergeführt?«
    »Eine amerikanische Bibliotheksdelegation. Ich fungiere als Reisebegleiterin. Ich habe dir doch davon geschrieben.«
    Sie hatte die Möglichkeit angedeutet, daß sie vielleicht eine amerikanische Delegation in die Städte des Südens begleiten werde, aber Shanghai hatte sie dabei nicht erwähnt.
    »Hast du schon zu Abend gegessen?« Noch so eine alberne Frage. Chen ärgerte sich über sich selbst.
    »Nein«, sagte Ling. »Bin eben erst angekommen. Ich hatte gerade noch Zeit zu duschen.«
    »Du hast dich nicht verändert.«
    »Du auch nicht!«
    »Woher wußtest du, daß ich hier wohne?«
    »Ich habe im Präsidium angerufen. Irgend jemand in deinem Büro hat es mir gesagt. Ich glaube, euer Parteisekretär Li Guohua. Zuerst war er ziemlich zugeknöpft, deshalb mußte ich ihm sagen, wer ich bin.«
    »Ah ja.« Oder wessen Tochter …
    Ling kramte eine Zigarette hervor. Er zündete sie ihr an, die Flamme mit der Hand abschirmend. Sie berührte seine Finger leicht mit den Lippen.
    »Danke.«
    Nonchalant saß sie da, einen nackten Fuß unter ihre Schenkel gezogen. Als sie sich vorbeugte, um die Zigarette am Aschenbecher abzuklopfen, ging der Bademantel auf, und Chen erhaschte einen Blick auf ihre Brüste. Sie bemerkte seinen Blick, raffte jedoch den Bademantel nicht wieder zusammen.
    Sie sahen einander in die Augen. »Ich weiß, wie ich dich zu fassen kriege, wo du auch stecken magst«, sagte sie scherzend.
    Allerdings, das wußte sie. Vor ihr, als Tochter eines hohen Kaders, konnte man keine Informationen verbergen.
    Trotz des Scherzes spürte Chen, wie sich Spannung zwischen ihnen aufbaute. Es war verboten, daß ein Mann und eine Frau ein Hotelzimmer teilten, wenn sie nicht verheiratet waren. Der Sicherheitsdienst des Hotels war befugt einzuschreiten. Jeden Augenblick konnte es laut an die Tür klopfen: »Routinekontrolle!« In einigen Zimmern waren sogar versteckte Videorecorder installiert.
    »In welchem Zimmer bist du?« fragte er.
    »Hier in der Abteilung für ›verdiente Gäste‹, weil ich Reisebegleiterin der amerikanischen Delegation bin. Da wird von den Sicherheitsleuten nicht kontrolliert.«
    »Es ist wirklich nett von dir, daß du gekommen bist«, sagte er.
    »Du hast mir gefehlt«, sagte sie. Die Lampe beschien ihr weiches Gesicht.
    »Du mir auch. Du kannst dir nicht vorstellen, wie dankbar ich dir für alles bin, was du für mich getan hast.«
    »Du brauchst dich nicht zu bedanken!«
    »Du weißt schon, dieser Brief, den ich geschrieben habe, ich wollte dich nicht…«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Aber ich wollte es so.«
    »Und jetzt…«
    »Und jetzt…« Sie sah zu ihm auf. »jetzt sind wir hier. Warum also nicht? Morgen früh reise ich ab.«
    Er sah, wie sie sich mit der Zungenspitze die Lippen befeuchtete; dann fiel sein Blick auf ihre nackten Füße, elegant gewölbt, mit wohlgeformten Zehen.
    »Du hast recht.«
    Er griff nach dem Lichtschalter, um die Lampe auszumachen, aber sie hielt ihn mit einer Bewegung davon ab. Dann stand sie auf, löste den Gürtel und ließ den Bademantel zu Boden gleiten. Wie Porzellan schimmerte ihr Körper im Schein der Lampe. Die Brüste waren klein, aber die Brustwarzen

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