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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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bestätigt worden, stand aber als Hypothese im Raum: Zum Zeitpunkt ihres Todes hatte sie wohl keine feste Liebesbeziehung gehabt. In so einem Wohnheim gab es keine Privatsphäre, keine Möglichkeit, sich heimlich mit jemandem zu treffen. Wenn sich hinter ihrer verschlossenen Tür etwas abgespielt hätte, hätten es ihre Nachbarn sofort gemerkt, und in weniger als fünf Minuten hätte sich diese Nachricht wie ein Laufteuer verbreitet.

 
    9
     
    AM MITTWOCH, fünf Tage nachdem die Sondergruppe ins Leben gerufen worden war, gab es noch immer keine nennenswerten Fortschritte. Dies ging Oberinspektor Chen durch den Kopf, als er ins Büro kam, seine Kollegen grüßte und ein paar belanglose Höflichkeiten austauschte. Der Fall lastete schwer auf seinen Schultern.
    Auf Kommissar Zhangs Betreiben hatte Chen seine Ermittlungen auf das ganze Viertel ausgedehnt, in dem Guan gelebt hatte, und die Polizeidienststelle dieses Stadtbezirks sowie das dortige Straßenkomitee um Hilfe gebeten. Die Leute lieferten zahllose Informationen über alle möglichen Verdächtigen, wobei alle davon ausgingen, daß es sich um einen politischen Fall handelte. Chen beschäftigte sich mit diesem ganzen Material, bis ihm die Augen brannten, und verfolgte die Hinweise, die ihm das Komitee geliefert hatte. Es ging um irgendwelche ehemaligen Konterrevolutionäre, die einen »tiefen Haß auf die sozialistische Gesellschaft« empfanden. Das Ganze war reine Routine, doch Chen erledigte sie sorgfältig, auch wenn er ständig am Sinn dieser Ermittlungen zweifelte.
    Die Wahl des Hauptverdächtigen bewies wieder einmal Kommissar Zhangs verknöchertes Denken. Dieser Verdächtige war ein entfernter Verwandter Guans, der seit langem einen persönlichen Groll gegen Guan hegte, weil sie ihn, den schwarzen Reaktionär, während der Kulturrevolution nie gegrüßt hatte. Der inzwischen rehabilitierte Reaktionär hatte verkündet, daß er ihr nie verzeihen würde, war aber so beschäftigt, ein Buch über seine vergeudeten Jahre zu schreiben, daß er gar nicht mitbekommen hatte, daß sie tot war. Noch bevor er ihn verhörte, schloß Oberinspektor Chen ihn als Täter aus.
    Es war kein politischer Fall. Dennoch erwartete ihn wohl ein weiterer der allmorgendlichen Vorträge von Kommissar Zhang über »das Ermitteln im Vertrauen auf das Volk«. Doch an diesem Morgen wurde er angenehm überrascht.
    »Das ist für Sie, Genosse Oberinspektor«, sagte Hauptwachtmeister Yu, der an der Tür auf ihn gewartet hatte, und überreichte ihm ein Fax, das im Hauptbüro für ihn angekommen war.
    Es stammte von Wang Feng. Das Deckblatt trug den Briefkopf der Wenhui-Zeitung. In ihrer adretten Handschrift stand »Herzlicher Glückwunsch« am Rand des Blatts, einer kopierten Seite aus der Zeitung, auf der sein Gedicht »Wunder« abgedruckt war, und zwar an recht prominenter Stelle. Darunter hieß es in einer Anmerkung des Herausgebers: »Der Verfasser ist ein junger Oberinspektor aus dem Shanghaier Polizeipräsidium.«
    Dieser Hinweis war durchaus sinnvoll, denn das Gedicht handelte von einer jungen Polizistin, die im strömenden Regen Leuten half, deren Häuser vom Sturm verwüstet worden waren. Mit dem Fax in der Hand nahm er sein erstes Telefonat dieses Tages entgegen. Es war Parteisekretär Li.
    »Meinen Glückwunsch, Genosse Oberinspektor! Ein Gedicht in der Wenhui-Zeitung, das ist eine schöne Sache.«
    »Danke«, meinte Chen. »Es ist ja nur ein kleines Gedicht über unsere Arbeit.«
    »Ein gutes Gedicht, auch politisch gesehen«, fügte Li hinzu. »Wenn wieder mal was von Ihnen in so einer einflußreichen Zeitung erscheint, lassen Sie es uns früher wissen.«
    »Gerne, aber warum denn?«
    »Eine Menge Leute lesen Ihre Gedichte.«
    »Keine Sorge, Parteisekretär Li, ich achte stets darauf, daß meine Gedichte politisch korrekt sind.«
    »Gut so. Wissen Sie, Sie sind ein recht ungewöhnlicher Polizeibeamter«, sagte Li. »Und was gibt’s Neues bei Ihren Ermittlungen?«
    »Wir ermitteln in alle möglichen Richtungen, leider bislang ohne nennenswerte Fortschritte.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, tun Sie einfach Ihr Bestes«, sagte Li. »Und vergessen Sie nicht Ihr Seminar in Peking.« Damit legte er auf.
    Als nächstes rief Dr. Xia an. »Gar nicht so schlecht, Ihr ›Wunder‹!«
    »Vielen Dank, Dr. Xia«, erwiderte Chen. »Über Ihren Beifall freue ich mich immer besonders.«
    »Vor allem der Anfang hat mir gut gefallen: Vom Regen tropfend naß das Haar / das dir auf deine

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