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Qiu Xiaolong

Qiu Xiaolong

Titel: Qiu Xiaolong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tod einer roten Heldin
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sich auf diejenigen Rezepte in seinem Kochbuch, die als einfach gekennzeichnet waren. Schon diese waren zeitaufwendig genug, doch nun füllte ein buntes Gericht nach dem anderen den Tisch, und im Raum breitete sich eine angenehme Mischung unterschiedlicher Düfte aus.
    Um zehn vor sechs war der Tisch gedeckt. Zufrieden mit dem Ergebnis seiner Mühen, rieb er sich die Hände. Das Hauptgericht bestand aus Schweinemagenstücken auf einem Bett grüner Napa, dünnen Scheiben Räucherkarpfen, gebettet auf zarte Jicai-Blätter, und gedämpften Krabben in Tomatensauce. Daneben gab es noch ein Gericht aus Aalen mit Frühlingszwiebeln und Ingwer, das er in einem Restaurant bestellt hatte. Außerdem hatte er eine Dose gedämpftes Meiling-Schweinefleisch aufgemacht und mit etwas Gemüse verfeinert, um sein Büffet um ein weiteres Gericht zu bereichern. Als Beilage stellte er eine kleine Schale mit Tomaten- und eine zweite mit Gurkenscheiben auf den Tisch. Sobald seine Gäste eingetroffen waren, wollte er aus der Sauce des eingemachten Schweinefleisches und aus sauer eingelegtem Gemüse noch eine Suppe zaubern.
    Er suchte gerade einen Topf, in dem er den Shaoxing-Wein erwärmen wollte, da klingelte es an der Tür.
    Wang Feng, eine junge Reporterin der Wenhui-Zeitung, einer der einflußreichsten Tageszeitungen Chinas, war der erste Gast. Sie war eine attraktive, junge, intelligente Frau, die alles zu haben schien, was eine erfolgreiche Reporterin ausmachte. Im Augenblick hatte sie jedoch nicht ihre schwarze Lederaktentasche in der Hand, sondern einen großen Pinienkuchen.
    »Herzlichen Glückwunsch, Oberinspektor Chen!« sagte sie. »Was für eine geräumige Wohnung!«
    »Danke«, sagte er und nahm ihr den Kuchen ab.
    Er führte sie rasch durch sein Reich. Ihr schien die Wohnung sehr gut zu gefallen, sie sah sich alles ganz genau an, öffnete die Schranktüren und trat auch ins Bad, wo sie sich auf Zehenspitzen stellte, um die Wasserleitung der Dusche und den Duschkopf zu berühren.
    »Sogar ein Bad!«
    »Na ja, wie die meisten Shanghaier habe ich immer davon geträumt, einmal eine Wohnung in dieser Gegend zu bekommen«, sagte er und überreichte ihr ein Glas Schaumwein.
    »Und dieser wundervolle Blick aus dem Fenster!« sagte sie. »Das ist ja wie gemalt!«
    Wang lehnte sich mit dem Glas in der Hand an den frisch gestrichenen Fensterrahmen und überkreuzte die Füße.
    »Sie machen ein Gemälde daraus!« sagte er.
    Das durch die Plastikjalousien hereinströmende Nachmittagslicht zauberte einen matten Porzellanschimmer auf ihre Haut. Ihre klaren, nur ganz leicht mandelförmig geschnittenen Augen verliehen ihrem Gesicht einen ausgeprägten Charakter. Ihr dichtes schwarzes Haar reichte ihr weit über die Schultern. Sie trug ein weißes T-Shirt und einen Faltenrock mit einem breiten Krokodilledergürtel, der ihre emanzipierte Wespentaille zusammenschnürte und ihre Brüste unterstrich.
    Wespentaille – dieses Bild stammte von Li Yu, dem letzten Kaiser der Südlichen Tang-Dynastie. Er war ein brillanter Dichter und besang in vielen berühmten Gedichten die atemberaubende Schönheit seiner kaiserlichen Lieblingskonkubine. Der Dichterkaiser fürchtete, sie zu zerbrechen, wenn er sie zu fest hielt. Angeblich hatte sich unter Li Yus Herrschaft auch der Brauch des Füßewickelns eingebürgert. Über Geschmack läßt sich nicht streiten, ging Chen durch den Kopf.
    »Wie meinen Sie das?« fragte sie.
    »Taille so schlank, gewichtslos tanzt sie auf meiner Hand«, sagte er, wobei er sich nun auf ein anderes Gedicht bezog, denn ihm war das tragische Ende der kaiserlichen Konkubine eingefallen: Sie hatte sich in einem Brunnen ertränkt, als die Südliche Tang-Dynastie gestürzt worden war. »Nicht einmal Du Mus berühmte Zeilen werden Ihnen gerecht.«
    »Haben Sie wieder mal ein paar Komplimente aus der Tang-Dynastie abgekupfert, Sie Dichter-Polizist?«
    Das klang eher nach der lebhaften jungen Frau, die er zum erstenmal im Wenhui-Haus getroffen hatte. Chen war sehr froh, sie wieder so zu erleben. Sie hatte ziemlich lange gebraucht, um über die Flucht ihres Mannes hinwegzukommen. Er hatte in Japan studiert und beschlossen, nicht mehr nach China zurückzukehren, als sein Visum abgelaufen war. Wang war darüber natürlich sehr betrübt gewesen.
    »In diesem Fall nur Dichter«, sagte er.
    »Mit Ihrer neuen Wohnung haben Sie jetzt jedenfalls keine Entschuldigung mehr für Ihr Junggesellendasein.« Sie leerte ihr Glas und warf schwungvoll ihr Haar

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