Qiu Xiaolong
Tischtuch, gefalteten rosa Servietten, Stäbchen aus Mahagoniholz und langstieligen Silberlöffeln gedeckt. Das Essen war einfach. Auf einem Gasstövchen stand ein kleiner Topf mit kochendem Wasser. Um das Stövchen herum waren auf einer mit Zitronengras bedeckten Platte hauchdünn geschnittenes Lammfleisch, eine Schale mit Spinat und ein Dutzend Austern kreisförmig angeordnet. Es gab auch noch in Essig marinierte Gurken und eingelegten Knoblauch als Beilagen.
Sie tauchten die Lammscheiben in das kochende Wasser, nahmen sie nach ein oder zwei Sekunden heraus und dippten sie in die Sauce nach einem Spezialrezept, das Chen von Überseechinese Lu hatte: eine Mischung aus Sojasauce, Sesampaste, fermentiertem Tofu und gemahlenem Pfeffer, über die etwas Koriander gestreut war. Das noch rosa Lamm war zart und köstlich.
Bevor sie den perlenden Weißwein unter dem sanften Licht tranken, stießen sie an.
»Auf Sie«, sagte er.
»Auf uns.«
»Auf was?« fragte er und wendete das Lamm in der Sauce.
»Auf diese Nacht.«
Sie schälte eine Auster mit einem kleinen Messer. Mit ihren kleinen, zarten Fingern bewegte sie das Messer und durchtrennte den Muskel. Sie hob die Auster an ihren Mund. An der Muschel hing noch ein Büschel grünes Seegras. In der Muschel sah er es glitzern, sah, wie sich das unvergleichliche Weiß gegen ihre Lippen abhob.
»Das ist köstlich«, seufzte sie zufrieden, als sie die Muschel ablegte.
Er blickte sie über den Rand seines Glases an und dachte daran, wie ihre Lippen die Auster und dann das Glas berührt hatten. Sie nippte an ihrem Wein, tupfte sich mit der Papierserviette den Mund ab und nahm eine weitere Auster. Zu seiner Überraschung dippte sie die Auster in die Sauce, beugte sich vor und bot sie ihm an. Die Geste war sehr intim. Er ließ zu, daß sie die Stäbchen in seinen Mund schob. Die Auster zerging sofort auf seiner Zunge. Eine sonderbare, befriedigende Empfindung.
Es war eine neue Erfahrung für ihn, mit einer Frau, die ihm gefiel, in einem Zimmer allein zu sein, das er sein eigen nannte. Sie sprachen, aber er hatte nicht das Gefühl, Konversation betreiben zu müssen. Sie auch nicht. Sie genossen es, einander anzuschauen, ohne zu reden.
Es hatte zu nieseln begonnen, nachts wirkte die Stadt vertraut und friedlich, und der Schleier ihrer Lichter glitzerte ms Unendliche.
Nach dem Essen sagte sie leise, daß sie ihm beim Aufräumen helfen wolle.
»Nach einem guten Essen spüle ich wirklich gern ab.«
»Nein, Sie brauchen nichts zu tun.«
Aber sie war schon aufgestanden, hatte ihre Sandalen abgestreift und seine Schürze angelegt, die am Türknauf hing, es war angenehm, sie so leichtfüßig umherlaufen zu sehen, als ob sie hier bereits seit Jahren lebte. Mit der weißen, um ihre schlanke Taille gebundenen Schürze wirkte sie sehr häuslich.
»Sie sind heute mein Gast«, betonte er.
»Ich kann einfach nicht zusehen, wie Sie alles in der Küche allein machen.«
Es war keine richtige Küche, sondern eine kleine Kochnische, in der Gasherd und Spüle eng nebeneinander gezwängt Platz fanden, kaum groß genug, daß sie sich beide darin bewegen konnten. Sie standen dicht beieinander, ihre Schultern berührten sich. Er stieß das kleine Fenster über der Spüle auf.
»So, das lassen wir einfach hier stehen«, sagte er und band die Schürze ab. »Das reicht.«
»In Ihrer neuen Wohnung wird es bald von Kakerlaken wimmeln«, warnte sie ihn mit einem Lächeln.
»Das tut es bereits.« Er führte sie in das Wohnzimmer zurück. »Lassen Sie uns noch ein Glas trinken – einen Schlaftrunk.«
»Ganz wie Sie wollen.«
Als er mit den Gläsern zurückkam, schaukelte sie in dem Rattanstuhl neben der Couch. Da sie tief im Stuhl versank, gab ihr kurzes Kleid den Blick auf ihre Oberschenkel frei.
Er lehnte sich gegen den Schrank. Seine Hand berührte die oberste Schublade, in der die Perlenkette lag.
Sie schien ganz in die sich verändernde Farbe des Weines in ihrem Glas versunken.
»Könnten Sie sich einen Augenblick zu mir setzen?«
»Hier kann ich Sie besser ansehen«, sagte er, den betörenden Duft ihres Haares einatmend.
Er blieb mit seinem Glas Wein in der Hand stehen. Ein »Schlaftrunk«. Es war schwer, das ins Chinesische zu übersetzen. Er kannte die romantische Konnotation des Wortes aus einem amerikanischen Film, in dem ein Paar ein letztes Glas Wein trank, bevor er ins Bett ging. Er war gefangengenommen von der intimen Atmosphäre, die zwischen ihnen entstanden war.
»Oh, Sie
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