Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
zeigte,
auf der in sauberen Blockbuchstaben der Name >Etta< stand.
»Mein neuer Name«, flüsterte sie
Lydia zu, legte die Tafel beiseite und nahm das Baby auf den Arm. »Von jetzt
an bin ich Etta. Frodine existiert nicht mehr.«
Lydia lächelte. »Na schön«, sagte
sie. »Hallo, Etta«
Polly stand auf der Veranda des
Warenhauses und schaute dem einlaufenden Postboot entgegen.
Eine Rampe wurde ausgelegt, und zwei
Männer in groben Kleidern kamen an Land, jeder mit einem Leinensack über der
Schulter. Da sie Hüte trugen, vermochte Polly ihre Gesichter nicht zu erkennen,
aber sie wußte auch so, daß keiner von ihnen Devon war.
Enttäuscht wandte sie sich ab und
kehrte in den Laden zurück.
Das Geschäft begann langsam
Aufschwung zu nehmen. Sie besaß jetzt eine Kaffeemühle und hatte Käse, Bücher
und Stoffe in ihr Angebot aufgenommen, zusätzlich zu vielen anderen Waren, und
jedes Klingeln der mächtigen Eisenkasse erfüllte Polly mit neuer Hoffnung.
Selbst wenn Devon nie wieder heimkehren sollte — obwohl sie jeden Tag darum
betete — würde sie sich und ihrem Kind ein gutes Leben bieten können.
Im Moment war es ruhig im Laden.
Polly trat hinter die Theke und tat, als betrachtete sie die Dosen mit Bohnen,
Keksen, Austern und anderen Nahrungsmitteln, die die Regale füllten. Aber in
Wirklichkeit versuchte sie nur, die Tränen zurückzudrängen, und tupfte sich
immer wieder mit dem Zipfel ihrer Schürze über die Augen. Der Wind heulte um
die Wände des Gebäudes, und Regentropfen begannen auf das Dach zu hämmern.
Als Polly sich beruhigt hatte, ging
sie zu dem gußeisernen Ofen an der gegenüberliegenden Wand und legte ein
Holzscheit nach. Die Luft war merklich kühler geworden, und Polly verspürte
ein eigenartiges Unbehagen in sich erwachen.
Als zwei kichernde Energiebündel,
Millie und Charlotte, in den Laden stürmten, lichtete Pollys düstere Stimmung
sich ein wenig.
»Was macht ihr bei diesem Wetter
draußen?« schalt sie gutmütig, denn die beiden Mädchen waren bis auf die Haut
durchnäßt. »Geht zum Ofen und wärmt euch auf, bevor ihr euch den Tod holt!«
Brighams Töchter gehorchten. »Papa
hat gesagt, wir dürften jeder eine Pfefferminzstange haben«, sagte Millie und
zog zwei Kupferpennies aus der Rocktasche.
Polly lächelte. Wie Devon liebte
auch sie diese Kinder sehr und war immer froh, sie zu sehen. Sie wußte auch,
daß Brigham sich keine Gelegenheit entgehen ließ, den Ertrag ihres Ladens zu
steigern, obwohl er selbst ein ähnliches Unternehmen betrieb und sie eigentlich
eine Konkurrenz für ihn darstellte. Sie nahm zwei Pfefferminzstangen aus dem
Glas auf der Theke und brachte sie ihren durchnäßten Kundinnen, sorgsam darauf
bedacht, die stolz angebotenen Pennies mit dem nötigen Respekt
entgegenzunehmen.
Millie ging zum Fenster. »Das
Postboot ist angekommen«, sagte sie. »Vielleicht hat es einen Brief von Onkel
Devon mitgebracht.«
Die Erwähnung ihres fernen Mannes
ließ Pollys Stimmung wieder auf einen Tiefpunkt sinken. Seufzend trat sie neben
Millie an das Fenster. »Ich wäre nicht überrascht, wenn er euch geschrieben
hätte oder eurem Vater«, erwiderte sie. Jeden Tag, wenn das Boot einlief, war
sie dumm genug zu hoffen, daß es Devon zu ihr zurückbrachte, und jeden Tag
erlebte sie eine brutale Enttäuschung.
»Es kommen zwei Männer auf den Laden
zu«, berichtete Millie Charlotte, die am Ofen geblieben war und ihre Röcke
trocknete. »Ich wette, sie suchen Arbeit in Papas Sägewerk.«
Charlotte seufzte gelangweilt. »Aus
welchem Grund sollten sie sonst an einen solchen Ort kommen?« entgegnete sie
verächtlich.
Polly lächelte traurig über
Charlottes Abenteuerlust. Es erstaunte sie immer wieder von neuem, daß das
Mädchen nicht sah, was es hier besaß — eine Familie, die sie liebte, ein
wunderschönes Heim, genug zu essen und eine Menge schöner Kleider. »Ich finde
schon, daß diese Stadt einiges zu bieten hat«, sagte sie, während sie die Theke
abstaubte.
Charlotte winkte ab. »Und was sollte
das sein?«
Millie antwortete, bevor Polly eine
Erwiderung einfiel. »Frag Anna Holmetz, wann sie das letzte Mal ein Paar neue
Schuhe bekommen hat! Frag sie, wie es war, als ihre Familie zwei Wochen lang
von Buttermilch leben mußte, weil sie kein Geld fürs Essen hatten. Frag sie ...«
Charlotte errötete, aber dann meinte
sie herablassend: »Es gehört mehr zu einem glücklichen Leben als Essen und neue
Schuhe. Millicent. Du verstehst das nicht, weil du kein
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