Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
um und warf Joe, der die
Frau gerade untersuchte, einen wütenden Blick zu.
»Es gehört sich nicht für einen
Mann, meine Frau auf diese Weise anzufassen!« sagte Hans.
»Dr. McCauley ist Arzt«, entgegnete
Lydia und schob den großen Mann zur Tür.
Hans setzte eine verstockte Miene
auf, seine hageren Wangen waren feuerrot. »Magna hat noch nie einen Arzt
benötigt. Stehen Sie ihr bei. Die Hilfe einer Frau ist alles, was sie
braucht.«
Lydia drehte sich halb zu Joe um,
der Magna untersuchte und Hans ignorierte, obwohl er den Wortwechsel gehört
haben mußte.
»Diesmal ist es anders«, gab Lydia
leise zu bedenken. »Magna hat Schwierigkeiten, Hans. Sie könnte sterben und das
Baby auch. Sie müssen den Arzt und mich in allem unterstützen. Gehen Sie jetzt
und tun Sie, was ich Ihnen aufgetragen habe. Bitte.«
Einen spannungsgeladenen Moment lang
zögerte Hans, starrte seine Frau an, die sich im Fieber und in Schmerzen
krümmte, und Lydia mußte sich sehr beherrschen, um ihn nicht wütend
anzuschreien. Sie wußte jetzt, daß es nicht Magnas Gesundheitszustand war, um
den er sich sorgte, sondern ihre Tugend, und das war einfach abscheulich
unter den gegebenen Umständen.
Joe hob seinen ruhigen Blick von
seiner leidenden Patientin zu Hans' Gesicht. Er sagte nichts, aber seine Botschaft
war eindeutig genug.
Hans wandte sich ab und verließ den
Raum.
»Wir werden das Baby holen müssen«,
sagte Joe zu Lydia, die Magna das schweißnasse Haar aus der Stirn strich. »Das
arme Kleine wird es nicht ohne unsere Hilfe schaffen.«
Lydia schloß für einen Moment die
Augen, dann holte sie tief Atem und stieß ihn heftig wieder aus. »Gut. Haben
wir Äther?«
»In meiner Tasche«, sagte Joe.
»Bleiben Sie bei Mrs. Holmetz, während ich sehe, ob ich noch etwas heißes,
Wasser finde. Ich möchte meine Arme noch einmal gründlich waschen.«
Lydia hatte sich bereits einen Stuhl
ans Bett gezogen und Magnas abgearbeitete Hände ergriffen. »Die Schmerzen werden
bald aufhören«, sagte sie zu der Frau, die halb bewußtlos war, und sie hoffte,
daß es sich nicht als Lüge erweisen würde.
»Mein Baby«, stieß Magna mühsam
hervor. »Bitte lassen Sie es nicht sterben!«
Lydia drängte die Tränen zurück, die
hinter ihren Augen brannten, denn dies war kein Moment für Tränen. »Wir werden
alles tun, was wir können«, versprach sie sanft.
Als Joe mit dem Kessel heißen
Wassers zurückkam, schüttete er etwas davon in die Schüssel auf dem Waschtisch
und begann seine Arme und Hände mit antiseptischer Seife abzuschrubben. Als
dies geschehen war, nahm er ein Stück Gaze aus seinem Koffer und legte es auf
Magnas Kissen. Dann reichte er Lydia eine braune Flasche. »Haben Sie schon
einmal Äther verabreicht?« fragte er.
Die Frage brachte Lydia wieder die
schmutzigen, stinkenden Lazarettzelte auf den Schlachtfeldern des Bürgerkriegs
in Erinnerung. »Wenn wir welchen hatten, ja«, antwortete sie und zog
vorsichtig den Korken aus der Flasche. Die meiste Zeit hatten Ärzte und
Krankenschwestern ohne die Medikamente auskommen müssen, die sie so dringend
gebraucht hätten; der Konflikt zwischen den beiden Staaten erwies sich als
weitaus größer und brutaler, als selbst die pessimistischsten Beobachter
vorausgesagt hatten.
Lydia richtete ihre Aufmerksamkeit
auf Magna, befeuchtete das Gazetuch mit Äther und legte es über den Mund und
Nase ihrer Patientin. Joe hatte inzwischen die Decken entfernt und der Frau das
Nachthemd bis zur Taille hochgeschoben. Ihr gewölbter Bauch zuckte, als das
darin existierende Leben nach außen drängte.
Bitte, flehte Lydia stumm. Sie gestattete
sich niemals eine eindeutigere Bitte, wenn sie für einen Patienten betete; in
seiner weisen Voraussicht wußte nur Gott allein, wer leben und wer sterben
sollte.
Als Magna den Äther einatmete und
sich zu entspannen begann, rieb Joe ihren Bauch mit einer Alkoholtinktur ab und
holte ein Skalpell aus seiner Arzttasche. Lydia schaute anerkennend zu, wie er
das Instrument gründlich desinfizierte.
Nachdem Hans mit den Töpfen und
Bettlaken zurückgekehrt war, hatte Lydia ihre Patientin bereits betäubt und die
blutdurchtränkte Bettwäsche durch eine saubere Decke ersetzt.
Eine hohe Gestalt erschien plötzlich
in der Tür und füllte sie fast völlig aus, aber zu Lydias Erleichterung war es
nicht Hans, der dort stand, sondern Brigham.
Nach einem flüchtigen Blick auf den
Besucher begann Joe den Einschnitt. »Tun Sie mir einen Gefallen, Brig, und
halten Sie
Weitere Kostenlose Bücher