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Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen

Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen

Titel: Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
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den Staaten nicht als
>Streitigkeiten< abtun und betrachte die Tatsache, daß Sie Holz an die
Rebellen verkauft haben, als Verrat.«
    »Der Krieg ist vorbei, Lydia«,
entgegnete Brigham ruhig. Doch Lydia war so erregt, daß sie ihn nicht hörte.
»Besitzen Sie denn überhaupt kein Gewissen, Mister Quade? Wie konnten Sie nur
Profit aus einer solchen Massenschlächterei ziehen?«
    Brigham blieb ruhig und beherrscht,
obwohl ein Muskel an seiner linken Wange zuckte. »Ich habe den Konflikt nicht
ausgelöst und hätte ihn nicht beenden können, indem ich mich weigerte, einem
Mann Holz zu verkaufen, nur weil er Grau statt Blau trug.«
    Lydia war so entsetzt, daß es ihr
die Sprache verschlug. Sie umklammerte die Tischkante und war nicht imstande
aufzustehen.
    Mister Quade betrachtete sie lange
Zeit, dann sagte er: »Ich bin bereit, Ihnen Ihre Meinung zu gestatten, Miss
McQuire. Wie können Sie sich dann an meiner stören?«
    Sie schloß die Augen und hörte
wieder Kanonendonner, Granatexplosionen und die Schreie der Verletzten, die
blutüberströmt in die Feldlazarette gebracht wurden und, zum Teil noch halbe
Kinder, weinend nach ihren Müttern schrien. Sie glaubte, wieder den
Pulvergeruch zu riechen, das Blut und den unerträglichen Gestank aus Schweiß,
Exkrementen, Urin und entzündetem Fleisch. Als sie schwankte, fühlte sie eine
stützende Hand auf ihrem Arm.
    »Lydia!«
    Sie öffnete die Augen und erkannte
Mister Quade, aber die Schreie in ihrem Kopf verstummten nicht. Noch lange,
sehr lange, nachdem der Krieg beendet war, hatte sie die Schreie gehört —
tagelang, nächtelang, bis sie geglaubt hatte, den Verstand zu verlieren.
    Lydia zitterte am ganzen Körper.
    Mister Quade ging zu einem
Beistelltisch, und dann kehrte er zurück und drückte Lydia ein Glas mit Brandy
in die Hand.
    Angesichts des Elends, das der
Whiskey im Leben ihres Vaters verursacht hatte, trank Lydia normalerweise
keinen Alkohol, aber jetzt spürte sie, daß sie einer Ohnmacht nahe war und
etwas brauchte, das ihr wieder auf die Beine half. Vorsichtig nippte sie an
dem Brandy. »Was war das gerade? Was ist geschehen?« fragte Brigham und kauerte
sich neben ihren Stuhl. Und so erschüttert Lydia auch war, spürte sie doch den
seltsamen Effekt, den seine Nähe auf sie hatte. Ein heißes Sehnen begann tief
in ihrem Innersten, ausgerechnet an der Stelle, an die zu denken sich jede
anständige Frau verbot. »Sie sehen aus, als hätten Sie gerade mit dem Teufel
Tee getrunken!« bemerkte Brigham betroffen.
    Doch Lydia begann ihre Haltung
allmählich wiederzugewinnen; der Alptraum war gebannt, zumindest für den Augenblick,
und der Alkohol wärmte ihr Blut. Dennoch hatte sie mehr Angst als je zuvor in
ihrem Leben. Mister Quades Trost, obwohl zurückhaltend, war so berauschend wie
Opium, und Lydia erkannte plötzlich, daß sie so abhängig davon werden konnte,
wie sie Luft, Nahrung und Wasser zum Leben brauchte.
    Mit zitternder Hand stellte sie das
Glas ab, schob den Stuhl zurück und stand auf. Erst an der Tür drehte sie sich
noch einmal zu Mister Quade um und sah, wie er sich langsam aus seiner
gebückten Haltung aufrichtete.
    »Lydia«, sagte er, und das war
alles. Nur ihr Name. Und doch empfand sie es wie ein Streicheln, und das Blut
dröhnte in ihren Ohren und pochte durch die Ader an ihrer Kehle.
    Sie schüttelte den Kopf, verzweifelt
fast, und wandte sich ab. Brigham folgte ihr nicht, als sie den Raum verließ.
    Am nächsten Morgen, im hellen Sonnenschein, kam Lydia
sich ausgesprochen dumm vor. Zurückblickend hatte sie das unheimliche Gefühl,
als hätte Brigham in der Nacht zuvor all ihren entsetzlichen Erinnerungen
gelauscht, und das Herz tat ihr weh für ihn. Nur sehr wenige Menschen besaßen
die Kraft, die Wahrheit über den Krieg zu hören, und aus diesem Grund trug sie
den größten Teil der Bürde auch noch immer ganz allein.
    Da sie jedoch die Erfahrung gemacht
hatte, daß Beschäftigung das beste Mittel gegen melancholische Gedanken war,
stand sie rasch auf und zog eins der neuen Kleider aus San Francisco an. Sie
fand sich recht hübsch in dem grauen, mit rosa Borten abgesetzten Kleid, als
sie vor dem Spiegel ihr Haar bürstete und es zu einem losen Knoten am
Hinterkopf aufsteckte.
    Es herrschte Stille in dem großen
Haus, und Lydia erschrak, als sie das Zifferblatt der Standuhr in der Halle
sah. Fast zehn schon — Devon und Brigham gingen sicher schon seit Stunden ihren
Geschäften nach, und von den Kindern, Polly oder Tante

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