Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen
zehnjährige
Tochter!«
Brighams Blick richtete sich auf den
heftig pochenden Puls an ihrer Kehle, glitt zu ihren wohlgeformten Brüsten und
zurück zu
ihrem Gesicht. »Nein. Das sind Sie
ganz eindeutig nicht. Aber ich lenke die Geschicke von Quade's Harbor, und Sie
werden schon noch merken, daß es ratsam ist, mir zu gehorchen.«
Lydia war außerstande, noch länger
vor Brigham stehenzubleiben, ohne ihm körperlichen Schaden zuzufügen. Wortlos
raffte sie ihre Röcke, drehte sich um und entfernte sich fluchtartig.
Schallendes Gelächter folgte ihr.
Millie wartete hinter einem
Blaubeerbusch. »Ich habe noch nie jemanden so mit Papa sprechen hören«, sagte
sie bewundernd. »Wenn Charlotte oder ich das täten, müßten wir bestimmt eine
ganze Woche auf unserem Zimmer bleiben.«
Lydia lächelte, obwohl sie innerlich
vor Zorn kochte. Bis zu ihrer Begegnung mit Brigham hatte sie geglaubt, nie
wieder
richtig ärgerlich werden zu können,
und daß es jetzt geschah, störte sie sehr, weil es den Gleichmut gefährdete,
den sie sich so mühsam angeeignet hatte. »Du bist ein Kind, Millie«, erwiderte
sie in bemerkenswert ruhigem Ton. »Es gehört sich nicht, daß du auf diese Weise
mit deinem Vater sprichst.« Nicht einmal, wenn er ein unerträglich
eingebildeter Lümmel ist, fügte sie bei sich hinzu.
Sie nahm Millies Hand. »Was gibt es
in Quade's Harbor sonst noch zu sehen?«
»Onkel Devon baut ein Warenhaus«,
erwiderte Millie strahlend. »Er hat versprochen, auch Haarbänder,
Pfefferminzbonbons und Märchenbücher zu verkaufen. In Papas Firmenladen gibt
es nur getrocknete Bohnen, lange Unterhosen und Männerstiefel.«
»Das ist in der Tat kein
reichhaltiges Angebot«, stimmte Lydia zu.
Millie deutete auf einen
eingezäunten Friedhof auf einem Hügel. »Dort oben hat eine Schlacht mit
Indianern stattgefunden, als Charlotte drei war und ich gerade geboren werden
sollte. Mama und Papa lebten in einer Hütte, wo jetzt das große Haus steht, und
Papa versteckte Mama und Charlotte unter dem Fußboden, bis der Kampf vorbei
war. Onkel Devon hat eine Narbe auf der rechten Schulter, wo ihn ein Pfeil
getroffen hat.«
Lydia fragte sich, ob Millie die
Geschichte nur erfunden hatte, aber dann sah sie die ernste, traurige Miene des
kleinen Mädchens. »Tante Persephone sagt, Mama hätte die Ängste jenes Tags nie
überwunden. Danach machte sie nur noch lange Spaziergänge am Wasser entlang.
Charlotte sagt, Mama hätte sich ein Schiff herbeigewünscht, das sie für immer
von hier fortbrächte.«
Sie hatten den Hügel umrundet und
standen nun vor dem hölzernen Gerüst eines neuen Gebäudes. Auf einem der Dachbalken
hockte Devon.
»Hallo«, rief er ihnen heiter zu,
und wieder versetzte es Lydia einen schmerzhaften Stich. Wer weiß, ob Devon
Quade nicht doch ein guter Ehemann für mich gewesen wäre, dachte sie wehmütig.
Er war sanft, intelligent und tüchtig und würde sich bestimmt nie zu einem
solchen Tyrannen entwickeln, wie sein Bruder einer war.
Millie winkte freudig. »Hallo, Onkel
Devon!«
Lydia erlaubte sich sehr selten
Selbstmitleid, aber als sie Devon vom Dach heruntersteigen und auf sie zukommen
sah, kamen ihr schwere Zweifel an der Qualität ihres Lebens. Es sah fast so
aus, als ob Glück etwas wäre, das nur den anderen bestimmt war.
»Ich vermisse ein Lächeln«, sagte
Devon und berührte in brüderlicher Zuneigung ihr Kinn. »Ist dieser Ort, zu dem
ich Sie gebracht habe, denn so schrecklich?«
»Nein.« Lydia schluckte. Quade's
Harbor war wunderschön. Ihre Lippen zitterten von der Anstrengung zu lächeln.
»Wo ist Polly?«
Bevor Devon antworten konnte, verzog
Millie den Mund und sagte verächtlich: »Sie liegt noch im Bett, genau wie
Charlotte.«
»Millicent, das war nicht nett von
dir!« rügte Lydia das Kind.
Doch Millie schob trotzig das Kinn
vor. »Es ist die Wahrheit.« Devon wirkte verlegen. »Polly ist sehr ... zart«,
meinte er.
»Siehst du?« rief Millie
triumphierend. »Aber meine Schwester Charlotte ist nicht zart, sondern einfach
faul, und sie bleibt abends lange auf, um Bücher über Schiffe, Piraten und
märchenhafte Königreiche zu lesen. Manchmal läuft sie einen ganzen Tag mit
leidender Miene im Haus herum, seufzt und tut, als wäre sie eine verwunschene
Prinzessin. Als sie >Robin Hood< gelesen hatte, spielte sie einen ganzen
Monat lang Jungfer Marian!«
Lydia und Devon lachten, und dann
ertönte ein scheppernder Glockenklang.
»Essen!« rief Millie und rannte auf
das große Haus
Weitere Kostenlose Bücher