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Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen

Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen

Titel: Quade 01 - Verzaubert von deinen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Persephone war nirgendwo
etwas zu sehen.
    Nach einem mageren Frühstück aus
kaltem Toast und hartgekochten Eiern, die sie in der Küche fand, ging sie hinaus
ins Freie.
    Im Gegensatz zum regnerischen Wetter
vom Tag zuvor schien nun die Sonne strahlend vom Himmel. Die samtgrünen Wälder
auf den Bergen und das Gras zu Lydias Füßen leuchteten wie Smaragde. Als hätte
Gott die Ärmel aufgekrempelt und beschlossen, dieses Land in einen Garten Eden
zu verwandeln, dachte Lydia beeindruckt.
    Ein Geräusch aus der Baumkrone einer
nahen Zeder brachte sie jäh in die Wirklichkeit zurück. »Entschuldigen Sie«,
rief Millie ihr von irgendwo oben aus dem Blattwerk zu, »könnten Sie mir
vielleicht herunterhelfen, Miss McQuire? Ich glaube, ich stecke fest.«
    Lydia schätzte die Entfernung zu der
Baumkrone ab und schlug erschrocken die Hand vor ihren Mund. »Halt dich gut
fest!« rief sie und eilte auf den Baum zu.
    »Millicent kann klettern wie ein
Affe«, erklang Devons Stimme hinter Lydia, als sie schon ihre Röcke raffte, um
den Aufstieg zu beginnen. »Sie hatte bestimmt vor, Sie hinaufzulocken und dort
oben sitzenzulassen, bis keine Gefahr mehr bestand, daß Sie sie zum Unterricht
rufen würden.« Mit einem grimmigen Lächeln schaute er zum Baum hinauf. »Habe
ich recht, Millicent?«
    Ein enttäuschter Seufzer, gefolgt
von Blätterrascheln, und dann kamen schwarze Schuhe in Sicht und der Saum eines
blauen Baumwollkleids. »Es scheint ein Verbrechen an diesem Ort zu sein, ein
bißchen Spaß zu haben«, beschwerte Millie sich, und Lydia lächelte. »Onkel
Devon, du wirst allmählich genauso sauertöpfisch wie Papa!«
    Devon bemühte sich um eine strenge
Miene, als er die Arme ausstreckte, um seine Nichte aufzufangen. »Du bist ein
halber Junge«, sagte er liebevoll und küßte Millie auf den Scheitel, bevor er
sie aus seinen Armen entließ. »Aber jetzt bitte keine Tricks mehr,
Millie-Willie. Du möchtest Miss McQuire doch zur Freundin haben?«
    Millie schüttelte Zweige- und
Blätter aus ihrem Haar und lächelte mit dem Charme eines Fauns. »Charlotte
sagt, es sei unmöglich, seine Gouvernante zu mögen.«
    Devon tippte mit dem Zeigefinger an
ihre Nasenspitze. »Seit wann hörst du auf Charlotte?«
    Millie zuckte die Schultern und ergriff
Lydias Hand. Ihre kleinen Finger waren überraschend kräftig. »Dann kommen
Sie«, erklärte sie mit heiterer Resignation. »Ich zeige Ihnen Quade's Harbor —
oder zumindest das, was sich zu sehen lohnt.«

Vier
    »Wer lebt in diesen Häusern?« fragte
Lydia. Sie und Millie standen auf der Straße vor der Bucht und betrachteten
die Reihe der sechs hübschen kleinen Häuser, die alle in unterschiedlichen
Farben gestrichen waren.
    »Niemand«, erwiderte Millie
gelangweilt. »Papa ließ sie für Familien bauen, aber bis jetzt sind nur
Junggesellen hergekommen. Und die leben im Lager oben in den
Bergen.«
    Lydia war enttäuscht. Solch hübsche
Häuser verdienten blühende Blumen in ihren Gärten und blauen Rauch, der sich
aus ihren Schornsteinen kräuselte — und Kinder, die auf die Bäume kletterten,
die vor den Häusern angepflanzt worden waren. Devon hatte recht, diese Stadt
brauchte nichts so sehr wie Frauen. Mit weiblichen Bewohnern würden auch
Schulen und Kirchen kommen, und irgendwann vielleicht sogar Bibliotheken und
Krankenhäuser.
    Sie dachte an all die
unverheirateten Frauen und Witwen im Osten. Einige von ihnen wären bestimmt
bereit, die anstrengende, gefahrvolle Reise in den Westen zu unternehmen ...
Der Gedanke löste heftige Erregung in Lydia aus und eine Hoffnung, die sie
seit der Zeit vor dem Krieg nicht mehr gekannt hatte.
    Millie zupfte an Lydias Ärmel.
»Kommen Sie, ich zeige Ihnen, wo Papa arbeitet, wenn er nicht gerade Holz
schlägt. Ich schwöre, daß Sie so etwas noch nie gesehen haben!«
    Lydia lächelte und ließ sich von dem
Kind zu einer kleinen Bucht führen, wo Hunderte von Baumstämmen auf dem Wasser
trieben. Männer schrien, Maulesel wieherten, und das schrille Kreischen einer
wasserbetriebenen Säge erfüllte die nach Sägemehl und Salz riechende Luft.
Wieder erfaßte Lydia ein Gefühl der Aufregung und Verwunderung, als sei sie
Teil eines großartig angelegten Plans.
    »Das ist Papas Büro«, sagte Millie
und deutete auf das seltsamste Gebäude, das Lydia je gesehen hatte. Die Hütte
— denn viel mehr war es nicht — war aus einem riesigen Baumstumpf herausgeschlagen
worden, dessen Wurzeln sich noch immer wie die Finger eines Giganten in den
Boden

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