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Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt

Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt

Titel: Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt Kostenlos Bücher Online Lesen
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stinkenden Atem in ihrem Gesicht. Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer
Kehle, während sie sich bemühte, das Tier zu vertreiben. Und tatsächlich zog
sich der kleine Nager in ein Loch in der Wand zurück und belästigte Charlotte
nicht wieder.
    Aber ihr war klar, daß die
Erinnerung an die scheußliche Kreatur sie nie wieder verlassen würde.
Alpträume, in denen die Ratte größer und größer wurde, bis sie den ganzen
Tunnel ausfüllte, würden sie vermutlich den Rest ihres Lebens plagen.
    Ohne daß es ihr bewußt war, weinte
Charlotte, während sie auf ein ungewisses Schicksal zukroch.
    Sie hätte nicht sagen können, ob
eine Stunde oder ein ganzer Tag vergangen war, seit sie die geheime Kammer
verlassen hatte, aber ihr Mut regte sich wieder, als sie das erste leise Stimmengemurmel
vernahm.
    Sie kroch weiter, auf geschundenen
Ellenbogen und Knien und mit wirrem, aufgelöstem Haar, und plötzlich wurde der
Tunnel so eng, daß sie tief atmen mußte, um sich hindurchzuquetschen. Dann, an
einer breiteren Stelle angelangt, hörte sie ein Gespräch, das zwei Männer
führten, was wieder neue Ängste und Befürchtungen in ihr auslöste.
    Es war möglich, daß diese Männer sie
gehört hatten und nur darauf warteten, sie gefangenzunehmen. Oder — was noch
viel schlimmer wäre — sie würde sich in einer der Zellen wiederfinden, und auf
Gedeih und Verderb der Gnade von Khalifs Gefangenen ausgeliefert sein. Und dann
würde sie nicht nur grausam geschändet und ermordet werden, sondern Ahmed und
seine Anhänger würden auch den Fluchtweg durch den Tunnel und dadurch das
Versteck der Frauen und Kinder finden!
    Nach einem tiefen Atemzug kroch
Charlotte weiter. Sie war so weit gekommen, daß es Wahnsinn gewesen wäre, aufzugeben.
Außerdem war kein Platz im Tunnel, um sich umzudrehen.
    Irgendwann erblickte sie durch eine
Ritze in der Sandsteinmauer einen düsteren Korridor. Der Gestank, der aus den
Zellen zu beiden Seiten des Ganges drang, löste Übelkeit in Charlotte aus,
und sie erbrach sich heftig. Danach lag sie lange still und dachte an Lydia,
die während ihrer Arbeit als Krankenschwester im Bürgerkrieg viel Schlimmeres
gesehen und gerochen hatte. Der Körper gewöhnt sich mit der Zeit daran, hatte
ihre Stiefmutter gesagt, doch die Seele vergißt es nie.
    Was würde Lydia an meiner Stelle
tun? fragte Charlotte sich verzweifelt, obwohl sie die Antwort bereits kannte:
Lydias Lebensphilosophie war, stets einen Schritt weiterzugehen, niemals
zurück.
    Charlotte schloß einen Moment die
Augen, sammelte Mut und kroch dann dicht an die Mauer, um durch eine Ritze zwischen
den Steinen zu spähen.
    Zwei Araber, die sie noch nie
gesehen hatte, hielten sich auf dem Gang auf; sie trugen schmutzige, zerlumpte
Burnusse, und einer von ihnen lachte dröhnend über eine Bemerkung des anderen.
Dann erschienen zwei weitere Männer, die Charlotte auch noch nie gesehen hatte,
doch der Gefangene, den sie zwischen sich herschleppten, war ihr leider nur zu
gut bekannt. Selbst im schwachen Licht der Fackeln erkannte Charlotte Rashad,
und sie konnte sogar sehen, daß er brutal geschlagen worden war.
    Mutlosigkeit und Verzweiflung
drohten sie zu überwältigen. Ihre schlimmsten Befürchtungen hatten sich
bewahrheitet, das Unausdenkliche war eingetreten. Irgendwie mußte es den Piraten
gelungen sein, den Palast zu erobern. Aber wie hatte das geschehen können?
    Einer der Männer öffnete eine Zelle
und stieß Rashad hinein. Metall krachte gegen Stein, als die Tür zuschlug,
einer der Araber schloß ab und hängte den Schlüssel an einen Haken an der
Wand. Dann wandten die Männer sich zum Gehen, und Charlotte hörte ihre
Schritte auf dem Korridor verhallen.
    In der absoluten Stille, die darauf
folgte, hörte Charlotte das Blut in ihren Ohren dröhnen, während sie die Steine
entfernte, die den Tunneleingang verschlossen. Nachdem sie sich überzeugt
hatte, daß keine Wächter in der Nähe waren, hastete sie über den Gang zu
Rashads Zelle, nahm den Schlüssel vom Haken an der Wand und steckte ihn in das
rostige Schloß.
    Rashad stöhnte, als er das leise
Knarren der Tür hörte.
    »Psst«, flüsterte Charlotte. »Ich
bin's, Charlotte.«
    Stroh raschelte, und Rashad richtete
sich auf. »Bei Allah!« flüsterte er ungläubig. »Wie sind Sie hierhergekommen?
Haben Ahmeds Männer die geheime Kammer entdeckt?«
    »Nein, die Frauen und Kinder sind in
Sicherheit«, erwiderte Charlotte beruhigend, während sie in der Finsternis
neben ihm niederkniete.

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