Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt
wie
Beiboote zu Wasser gelassen wurden und sich mit Männern füllten. Im nächsten
Augenblick legte das fremde Schiff sich schief und begann am Heck zu sinken.
Alles geschah wie in Zeitlupe. Die
Männer auf den Wällen und Befestigungen des Palasts feuerten weiter auf die
heranrudernden Piraten, und einige der Boote gingen unter und nahmen ihre
Insassen mit sich.
Schaudernd dachte Charlotte an die
Haie, die die Hafengegend bevölkerten, und schloß für einen Moment die Augen.
Die Männer in den unversehrten
Booten erwiderten das Feuer mit Flinten und Pistolen, und wie durch ein Wunder
gelang es einigen von ihnen, dem Hagel aus Kanonen- und Gewehrkugeln zu
entkommen und sich an den Strand zu retten.
Charlotte hatte genug gesehen;
hastig wandte sie sich ab und rannte durch den Palast zum Harem.
Alev kam ihr entgegen, eins ihrer
Babys auf dem Arm und leichenblaß vor Angst. »Was ist passiert?« rief sie,
während die anderen Frauen sich schnatternd und wehklagend um sie drängten.
Charlotte ergriff Alevs Arme, um sie
zu beruhigen. Die junge Dienerin, Pakize, stand in der Nähe und trug Alevs
zweites Baby. »Der Palast wurde beschossen«, berichtete Charlotte rasch. »Aber
Khalifs Männer haben das Schiff der Piraten bereits versenkt. Ich bin sicher,
daß der Kampf jeden Augenblick beendet sein wird.«
Obwohl Alev Charlottes Worte für die
anderen Frauen übersetzte, schien keine von ihnen Beruhigung darin zu finden.
Als ein weiterer heftiger Einschlag die uralten Mauern des Palasts
erschütterte, stoben die Frauen schreiend in alle Richtungen.
»Dynamit?« überlegte Charlotte laut,
als Alev ihren Arm packte und sie in den inneren Teil des Hamam zog.
»Komm!« rief Alev, von panischer
Angst beherrscht. »Der Feind ist sicher schon in den Palast eingedrungen — wir
müssen uns verstecken!« Rasch wandte sie sich auch an die anderen Frauen. Eine
ältere Ehefrau, die ihre eigenen Gemächer besaß und selten im Harem gesehen
wurde, legte die Hände flach gegen eine der Innenwände und drückte, bis eine
Öffnung erschien.
Charlotte und die anderen drängten
sich hindurch, und die Wand glitt unter leisem Ächzen an ihren Platz zurück.
Sie befanden sich in einem sehr hohen Raum mit Wänden aus groben Steinplatten.
Ein schwaches Licht fiel durch schmale Ritze in der Decke.
»Faszinierend!« sagte Charlotte. Sie
hatte von Geheimgängen und verborgenen Räumen gelesen, aber nie dergleichen gesehen,
nicht einmal bei den Besichtigungen englischer und schottischer Burgen. »Hier
könnte die Sultanin die Zwillinge versteckt haben«, bemerkte sie.
Alev nickte widerstrebend und
erschauerte bei der Erinnerung.
Überall im Raum weinten Babys und
Kleinkinder, deren nervöse Mütter sie zu beruhigen versuchten. Sanft nahm
Charlotte Alev den kleinen Prinzen ab und streichelte ihn beruhigend.
»Weiß sonst noch jemand im Palast
von diesem Raum?« fragte Charlotte, ihre Stimme erhebend, um das allgemeine
Schluchzen zu übertönen. Es erschien ihr zwar sehr unwahrscheinlich, daß es
draußen gehört werden konnte, aber sie wäre froh gewesen, wenn die Frauen sich
etwas ruhiger verhalten hätten.
Alev wirkte müde und rang die Hände.
»Rashad weiß es«, antwortete sie. »Bete darum, daß er sich verstecken kann,
wenn es den Eindringlingen gelingt, den Palast zu stürmen.«
»Er würde ihnen niemals sagen, wo
wir sind!« sagte Charlotte.
»Nein«, stimmte Alev zu. »Und für
sein Schweigen wird er mit dem Tod bezahlen.«
Charlotte spürte, wie das Blut aus
ihren Wangen wich. Sie und Rashad waren zwar nicht gerade Freunde, aber auch
keine Feinde, und ihr wurde übel bei dem Gedanken, welche Foltern ihm
vielleicht bevorstanden. »Die Prinzen waren hier versteckt, als Ahmed Khalif
stürzte. Warum hat Ahmed Rashad nicht gezwungen, ihm zu sagen, wo die Kinder
waren?«
Alev lächelte schwach. »Ahmed war
trunken vor Macht. Er war zu beschäftigt damit, den Sultan zu spielen, um sich
daran zu erinnern, daß der Harem von einem Eunuchen befehligt wurde.« Sie nahm
Charlotte ihr Kind wieder ab und drückte es so fest an ihre Brust, daß es zu
weinen begann. »O Charlotte, was wird geschehen, wenn Ahmed in diesem
Durcheinander freikommt? Wer schützt Khalif?«
Charlotte hatte nicht das Herz, Alev
zu sagen, daß der Sultan wild entschlossen war, selbst für den Schutz seiner
Familie Sorge zu tragen, und so sagte sie nur: »Rashad ist bei ihm.«
Eine Stunde verging, und einige der
Frauen und Kinder hockten sich auf den Boden und
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