Quadriga: Kriminalroman (German Edition)
voller Wucht gegen die Mauer der Kirche. So entwickelte
sich im Handumdrehen ein heißer Kick, bei dem Marco völlig vergaß, dass er eigentlich
in der Pizzeria Veneto einiges zu tun hatte. Der Schweiß rann beiden herunter, und
Marco staunte immer wieder, wie toll der Lockenkopf den Ball beherrschte. Marco
ließ sich aber nicht unterkriegen. Schließlich war er der beste Techniker in seiner
Klasse und beherrschte auch den einen oder anderen Trick, den der andere Junge nicht
kannte. Die beiden waren so sehr in ihr Spiel vertieft, dass sie die beiden Männer
nicht bemerkten, die plötzlich auf dem menschenleeren Campo auftauchten. Als sie
schließlich erschöpft innehielten, um kurz zu verschnaufen, hörten sie Applaus.
Überrascht schauten sie auf, und der andere Junge lief mit einem Freudenschrei auf
einen dicken, rötlich-blonden Mann mit wenigen Haaren am Kopf zu. Er rief »Daddy!«
und umarmte den Dicken. Der hob ihn zu sich empor und drückte ihn an sich. Der zweite
Mann fragte Marco, wie lange er schon Fußball spiele. Als Marco die Achseln zuckte,
lächelte er und murmelte »Bravo … bravissimo …« Der Dicke hatte seinen Sohn mittlerweile
losgelassen, ging auf Marco zu und sagte in gebrochenem Italienisch: »Sono il padre
… Bobby è mio figlio. Vuoi Coca Cola [17] ?« Er reichte
Marco seine Riesenpranke, Marco schüttelte sie grinsend und erwiderte:
»Sono Marco. Lavoro in una pizzeria qui vicino. ** «
Der
Große grinste und sagte: »Allora andiamo alla pizzeria! [18] «
Bruno Veneto atmete erleichtert
auf, als Marco endlich wieder auftauchte. Noch dazu mit dem fülligen Amerikaner,
der den beiden Knaben, seinem Begleiter und sich selbst jeweils ein Rieseneis und
mehrere Colas spendierte. Ettore, der Donald B. Crumb begleitete, dolmetschte so
gut es ging und erzählte Marco, dass Bobby seit der letzten Fußball-WM, die er über
Satelliten-TV in den USA mitverfolgt hatte, ein totaler Fußballnarr sei. Daheim
in New York City trainiere er täglich. Sein Vater zahlte ihm einen eigenen Trainer,
der ihm zuerst die Grundbegriffe des Fußballs und nach und nach immer mehr Tricks
beigebracht hatte. Woher Marco so gut kicken könne? Marco zuckte nur die Schultern.
Das konnte er einfach so. Einfach so … Bevor Donald B. und Bobby Crumb gingen, schrieben
sie Marco noch die Adresse des Palazzos auf, in dem sie wohnten, und luden ihn ein,
doch einmal vorbeizukommen. Marco konnte es nicht fassen. Mit glühenden Wangen machte
er sich, als die anderen gegangen waren, daran, Teig für neue Pizzas zu kneten.
Bruno Veneto ging, da Marco nun wieder im Geschäft war, auf ein Schwätzchen und
einen nachmittäglichen Espresso in ein nahes Caffè, und in der Ecke links hinten
saß Signor Smith. Mit stoischem Gesichtsausdruck kaute er an seiner Pizza Quattro
Formaggi.
Achtzehn
»Stronzo maledetto! [19] « Krachend schlug ein Teller über
seinem Kopf ein. Er konnte sich gerade noch ducken. Denn schon flog eine Schüssel
durch die Luft, die ebenfalls an der Wand zerschellte. Schwer alkoholisiert, wie
er war, sah er sein Heil einzig darin, unter den Couchtisch des Wohnzimmers zu kriechen.
Denn seine Frau feuerte aus allen Rohren. Es flogen Flaschen, Edelstahlgeschirr,
Messer, Löffel, Gabeln und schließlich die Inhalte des Kühlschranks durch die Luft.
Als er einmal kurz den Kopf hob, zerschellte ein Ei auf seiner Stirn. Blitzschnell
ging er wieder in Deckung, denn als Nächstes kam eine gut gekühlte Bierflasche geflogen,
die am Couchtisch in tausend Splitter zerbarst. Danach war Stille. Sicherheitshalber
blieb er noch so lange untergetaucht, bis er die Wohnungstür zuschlagen hörte. Ah!
Endlich war seine Frau weg. Mühsam kroch er aus seinem Unterstand hervor. Er wischte
sich den Eischleim aus dem Gesicht und taumelte zu der Couch, auf die er sich mit
einem Seufzer fallen ließ. Ruhe umgab ihn, und er schlummerte erschöpft ein. Als
er aufwachte, musste er sich als Erstes einen dicken Speichelstrom von der Wange
wischen. Danach wankte er aufs WC. Der Kopf schmerzte ihn, und Chaos umgab ihn.
Er taumelte durch alle drei Zimmer seiner Wohnung, und erst als er sich vergewissert
hatte, dass seine Frau sich ganz sicher weder im Bad noch im Abstellraum aufhielt,
wankte er zurück ins Wohnzimmer und schaltete das Fernsehgerät an. Es lief irgendeine
dümmliche Quizsendung, und er hielt sich eine eiskalte Bierflasche, die einzige,
die das Gemetzel überlebt hatte, an die glühend heiße Stirn. Wieder schlief er ein.
Er
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